Geschichte der Asiengesellschaft
Die heutige Schweizerische Asiengesellschaft ist nicht nur in vielfältiger Weise mit dem Schicksal der Asienwissenschaften an den Schweizerischen Hochschulen verbunden, sie ist mit ihrer Zeitschrift Asiatische Studien—Etudes Asiatiques und ihren Publikationsreihen eine zentrale Institution der Asienwissenschaften insgesamt in der Schweiz. Daher soll ein kurzer Blick in die Geschichte der Asiengesellschaft getan werden.
Im Nachruf auf Robert Fazy (1872-1956), den Eduard Horst von Tscharner verfasste, wurde die Entstehung der Gesellschaft mit den folgenden Worten beschrieben:
"Es mag für die Verhältnisse in der schweizerischen Orientalistik zu jener Zeit bezeichnend sein, dass ich erst 1936 oder 1937, und zwar dank Paul Pelliot in Paris, auf Robert Fazy, seine bedeutende asienkundliche Bibliothek und seine eifrige Beschäftigung mit der Welt des Ostens aufmerksam wurde. Bald suchte ich Fazy in Lausanne auf, wo er mich mit seiner ganzen Liebenswürdigkeit und seinem unvergesslichen Lächeln empfing, daheim in seiner prächtigen Bibliothek (diese wurde später der Bibliothèque Cantonale et Universitaire in Lausanne vermacht; die Verf.). Aus dieser Begegnung entspann sich eine Freundschaft und eine Zusammenarbeit, die bis Fazys Ende kaum abnahmen. 1938 erwogen wir die Gründung einer schweizerischen Gesellschaft, welche Orientalisten und Freunde der asiatischen Kulturen – vorerst der Kulturwelt, die von Indien bis nach Japan reicht – vereinigen und die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Kulturen in der Schweiz fördern sollte, und im Januar 1939 trat die Schweizerische Gesellschaft der Freunde ostasiatischer Kultur ins Leben." (AS 1956, S.7)
Die neue Gesellschaft entwickelte sich rasch. Als die Gründer im März/April 1939 eine Einladung zum Beitritt aussandten, meldeten sich innerhalb zweier Monate hundertfünfzig "Verehrer der ostasiatischen Kulturen". Eine rege Vortragstätigkeit entfaltete sich, und es folgte früh schon die Herausgabe der Mitteilungen die Schweizerische Gesellschaft der Freunde ostasiatischer Kultur (Bulletin de la Société Suisse des Amis de l’Extrême-Orient). Ende November 1940 zeichnete sich bereits eine der zentralen Aufgaben der Gesellschaft ab, die im ersten Jahresbericht vom Sektretär von Tscharner wie folgt beschrieben wurde:
"Die Einstellung des Grundstocks einer Gesellschafts-Bibliothek an der Universität Zürich (in der Sammlung für Völkerkunde; die Verf.) steht im Zusammenhang mit dem ersten Ergebnis einer unserer grösseren Bestrebungen: unserem Ziel gemäss, die Pflege der Ostasienkunde an den schweizerischen Universitäten zu stützen und zu fördern, haben sich einige Mitglieder des Vorstandes, namentlich unser Präsident (d.i. Robert Fazy; die Verf.) sowie die Herren P. Alther, Generaldirektor der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft, und Georg Reinhart, erfolgreich darum bemüht, eine Subvention zusammenzubringen, die es Pd. Dr. v. Tscharner gestattete, seine sinologische Lehrtätigkeit von der Universität Genf and die Universität Zürich zu verlegen, ohne zwar seine gleichzeitige Lehrtätigkeit an der Universität Bern aufzugeben, sodass Zürich nun auch akademisch zum natürlichen Vorort unserer Gesellschaft geworden ist.
Schliesslich erscheint uns unser höchstes konkretes Ziel, die Schaffung eines schweizerischen Ostasien-Instituts als unser Zentrum der Forschung, des Studiums und der Vermittlung und als Ort, wo Sammlungen ostasiatischer Kunst die geeignetste Aufnahme fänden, trotz der schwierigen und unberechenbaren Zeiten immer etwas deutlicher und näher." (MSGFOK 1940, S. 67)
Es sollten noch zehn Jahre vergehen, bis eine ad personam Anstellung an der Universität Wirklichkeit wurde, und es sollte bis ins Jahr 1964 dauern, bis die Sinologie mit einer im Stellenplan verankerten Professur ein festes Fundament bekam.
1947 wurde die Gesellschaft umbenannt und hiess fortan Schweizerische Gesellschaft für Asienkunde bzw. Société suisse d’études asiatiques. Sie wurde bald Mitgliedgesellschaft der Schweizerischen Akademie für Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW). Gleichzeitig wurden die Mitteilungen der Schweizerischen Gesellschaft der Freunde ostasiatischer Kultur (Bulletin de la Société Suisse des Amis de l’Extrême-Orient) von der wissenschaftlichen Zeitschrift Asiatische Studien—Etudes Asiatiques abgelöst. Diese erschien bis 1991 in der Regel in zwei halbjährlichen Nummern; seither wird sie in vier vierteljährlichen Nummern publiziert, wobei drei Nummern jeweils einem asiatischen Kulturkreis zugeordnet sind (dem islamischen, indischen, chinesischen, japanischen und zentralasiatischen), während die vierte Nummer Asien allgemein oder einem Spezialthema gewidmet ist (z.B. Korea, Ethnologie usw.). Die Auflage im nunmehr 54. Jahrgang beträgt ca. 600 Exemplare.
Die Liste der Präsidenten und Redaktoren bzw. Herausgeber der Zeitschrift liest sich wie ein Who’s Who? der schweizerischen Orientalistik der vergangen sechzig Jahren, und einer Reihe dieser Persönlichkeiten sind zu besonderen Anlässen Nummern der Asiatischen Studien ehrend gewidmet worden. Die Präsidenten waren: der Lausanner Robert Fazy (Amtszeit von 1939-1947), der Zürcher Sinologe Horst Eduard von Tscharner (1947-1962), der Lausanner Indologe Constantin Regamey (1962-1971, interimsmässig nochmals von 1972-1973), der Zürcher Indologe Paul Horsch (†1971), der Zürcher Sinologe Robert P. Kramers (1973-1983), die Zürcher Koreanistin Martina Deuchler (1983-1989), der Zürcher Japanologe Cornelius Ouwehand (1989), der Berner Islamwissenschafter J. Christoph Bürgel (1990-1991), der Zürcher Sinologe Robert H. Gassmann (1991-1996) und der Zürcher Japanologe Eduard Klopfenstein (1996-). Seit 1973 beherbergt das Ostasiatische Seminar das Präsidium der Gesellschaft, das Sekretariat und die Schriftleitung. Unter den Redaktoren finden sich neben den aufgezählten Präsidenten noch Namen wie Heinz Zimmermann, Jacques May (beide Indologie), Dietrich Seckel (Kunstgeschichte Ostasiens), Fritz Meier (Islam-wissenschaft) und Helmut Brinker (Kunstgeschichte Ostasiens).
1978 initiierte die Gesellschaft unter dem Titel Schweizer Asiatische Studien bzw. Etudes Asiatiques Suisses zwei erfolgreiche Publikationsreihen, eine für Monographien (d.s. in der Regel ausgereifte wissenschaftliche Leistungen) und eine für sogenannte Studienhefte (z.B. für ausgezeichneten Lizentiatsarbeiten oder für populärere Darstellungen). Bis heute sind bei den Studienheften 15, bei den Monographien beinahe 40 Titel erschienen, darunter viele Arbeiten in der Schweiz tätiger und etablierter Wissenschaftler und des wissenschaftlichen Nachwuchses.
1991 gab sich die Gesellschaft neue Statuten und den heutigen Namen, Schweizerische Asiengesellschaft bzw. Société Suisse-Asie. Die Mitgliedschaft steht allen interessierten Personen offen. Die Asienwissenschaften der Schweiz haben in vielfältiger Weise von der Gesellschaft profitiert: in ihrem Zeitschriftenbestand durch die vielen Austauschabonnemente, Kontakte mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen durch die Redaktionstätigkeit, bei der Organisation und Finanzierung von Vorträgen, bei der Publikation von Aufsätzen und von grösseren wissenschaftlichen Werken. Es ist zu hoffen, dass die Gesellschaft ihrer grossen Bestrebung, nämlich die Asienwissenschaften an den schweizerischen Universitäten zu stützen und zu fördern, auch in Zukunft nachgehen kann.