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Kulturgüter aus dem Eis: aufschlussreich und gefährdet

Beatrice Kübli, SAGW, Kommunikation
Droit et politique Recht und Politik

Fundstücke aus dem Gletschereis wurden in einer Art und Weise konserviert, wie es im Erdboden mit seinen Mikroorganismen nicht möglich ist. So konnte man bei Ötzi noch rund 5000 Jahre nach seinem Tod den Mageninhalt und das Erbgut analysieren. Aber die Relikte zerfallen schnell.

Ein spezieller Ast, ein interessant aussehendes Weidengeflecht – bei Bergwanderung kann man auf Dinge stossen, die sehr alt und archäologisch wertvoll sind. Selten ist der wissenschaftliche Wert für den Laien auf den ersten Blick erkennbar. Und doch sind es meist Privatpersonen, die solche archäologischen Schätze entdecken. Auch der Ötzi wurde von Berggängern aus Nürnberg gefunden. Zwar erkannte man sofort, dass er «wohl schon länger tot sei», aber nicht, dass er in der Zeit um 3000 vor Christus gelebt hatte. Entsprechend ruppig war seine Bergung – auch Eispickel kamen zum Einsatz. Im Gegensatz zur klassischen Archäologie, deren Fundstücke meist im Erdboden liegen, werden die eingefrorenen Relikte in einer Art und Weise konserviert, wie es im Erdboden mit seinen Mikroorganismen nicht möglich ist. So konnte man bei Ötzi rund 5000 Jahre nach seinem Tod noch den Mageninhalt und das Erbgut analysieren. Sogar ein bisschen Blut wurde entdeckt. Heute wissen wir unter anderem, dass Ötzi laktoseintolerant war, eine Prädisposition für Herz-Kreislauf-Probleme und Heliobacter-Bakterien hatte. Und dass er ermordet wurde. Man kann sogar sagen, dass es kein Raubmord war, denn in seiner Nähe fand man «Wertgegenstände» (wie beispielsweise sein kostbares Kupferbeil), die der Mörder nicht mitgenommen hatte.

Die Gletscherarchäologie braucht Ihre Hilfe

Funde aus dem Eis lassen also ganz neue Erkenntnisse zu und haben für die Archäologen und auch andere wissenschaftliche Disziplinen einen besonderen Wert. So können beispielsweise mit Pollen in konserviertem Schafsfell Aussagen zur klimatischen und ökologischen Situation zu Lebzeiten des Tiers gemacht werden. Die Disziplin der Gletscherarchäologie ist noch jung und hängt direkt mit dem Klimawandel zusammen. Durch die globale Erwärmung schmelzen die Eismassen und geben ihre Geheimnisse preis. Doch was im Eis Jahrtausende unbeschadet überstanden hat, zerfällt an der Oberfläche innert Kürze. Entsprechend wichtig ist es, dass Bergwanderer auf die Situation sensibilisiert werden. Ein grundsätzliches Interesse an der Thematik ist zwar erkennbar, aber trotzdem gibt es nur wenige Fundmeldungen. Auch in der Ausbildung der Bergführer ist das Verhalten beim Finden von archäologisch interessanten Objekten bisher kein Thema. Dabei wäre beispielsweise der Schweizer Alpen-Club (SAC) mit seinen rund 150'000 Mitgliedern eine «archäologische Armee».

Fundstellen in den Alpen

In den Alpen gibt es etwa ein Dutzend prähistorische Fundstellen, unter anderem das Schnidejoch, den Lötschenpass oder den Theodulgletscher. Meist befinden sich die archäologisch interessanten Gegenstände an flachen Stellen seitlich oder vor der Gletscherzunge. Da die Gletscher fliessen, ging ein Gegenstand allerdings nicht unbedingt dort verloren, wo man ihn schliesslich findet.
Die Fundstücke geben Hinweise darauf, welche Wege früher begangen wurden, welche Ausrüstungen und Tiere unsere Vorfahren dabei hatten, welche Werkzeuge sie benutzen und wo gebaut wurde. Rund 900 Objekte wurden am Schnidejoch gefunden, viele davon aus organischem Material. Auch wenn kein Ötzi dabei war, liessen die Funde viele Rückschlüsse zu. Die Erkenntnisse aus dieser Fundstelle inspirierte das Team des Bernischen Historischen Museums dazu, einen typischen prähistorischen Mann nachzubauen. Der «Schnidi» gehört inzwischen der Gemeinde Lenk. Am Montag hat er uns in Bern besucht und die Tagung zur Gletscherarchäologie mitverfolgt. Einen Tagungsbericht und die Präsentationen finden Sie demnächst unter www.sagw.ch.

Die Tweets zur Tagung

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Was tun, wenn man etwas gefunden hat?

  • Funde nicht anfassen
  • Funde und Kontext fotografieren
  • Lokalisieren (GPS)
  • Ort markieren, damit er wiedergefunden werden kann
  • Kantonsarchäologie informieren – bei menschlichen Überresten auch Polizei