News

Stellungnahme zur Volkszählung 2010 des CPS

Stellungnahmen

Eine Stellungnahme des Wissenschaftspolitischen Rates der Sozialwissenschaften (CPS)

 

Sehr geehrter Herr Bundespräsident Pascal Couchepin

Der Wissenschaftspolitische Rat der Sozialwissenschaften (CPS) – eine Kommission der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW), die für die Förderung der sozialwissenschaftlichen Forschung in der Schweiz zuständig ist – hat die Debatte rund um die Neukonzeption der Volkszählung 2010 aufmerksam mitverfolgt. 
Die Daten der Volkszählung sind für die sozialwissenschaftliche Forschung von grosser Bedeutung. Wir erlauben uns deshalb, im Folgenden Stellung zu nehmen zum Entscheid des Bundesrates vom Juni 2005, die kommende Volkszählung als reine Registerzählung mit zusätzlichen Stichprobenerhebungen durchzuführen.

I Allgemeine Bemerkungen 
Der CPS begrüsst die Modernisierung der Volkszählung in der Schweiz sowie die Bemühungen zur Schaffung einer nationalen Registerzählung. Gleichwohl ist der CPS der Meinung, 2010 sei statt der geplanten Schnellaktion nochmals eine traditionelle Volkszählung (oder eine registergestützte Volkszählung, ergänzt durch eine Vollerhebung der nicht in Registern enthaltenen Merkmale) durchzuführen, denn die verbleibende Zeit bis zum nächsten Volks-zählungstermin ist zu kurz bemessen für eine qualitativ genügende Erfassung der Schweizer Bevölkerung auf Registerbasis und für eine politisch und fachlich zuverlässige Abklärung der zur Zeit noch zahlreichen offenen Fragen.

II Offene Fragen 
Während die traditionelle Volkszählung wichtige Resultate zur Eichung sämtlicher statistischer Daten der Schweiz liefert und das Fundament der öffentlichen Statistik von Bund, Kantonen und Städten im Bereich der Personen und Haushalte bildet, verspricht die Registerzählung mit ergänzenden Stichprobenanalysen sowohl in finanzieller als auch zeitlicher Hinsicht einen Effizienzgewinn. Bei der Volks- resp. Registerzählung gilt es also abzuwägen zwischen einerseits grösserer Genauigkeit und andererseits geringeren Kosten und kürzerer Fristen. Wie der CPS jedoch mit Bedauern feststellt, standen die Möglichkeiten und Erfordernisse der öffentlichen Statistik bisher nicht im Zentrum der Debatte. Vielmehr hat die Diskussion eine Reihe offener Fragen zum Gegenstand, die es dringend zu klären gilt, sollen keine unreparierbaren Schäden entstehen:

  • Informationsverlust: Wie viele und welche Daten werden durch die Registerzählung mit ergänzenden Stichprobenanalysen verloren gehen?
  • Vergleichbarkeit: Werden die gewonnenen Daten noch mit früheren Volkszählungen vergleichbar sein?
  • Vollerhebung: Woher werden die – methodologisch unersetzlichen
  • Daten aus periodischen Vollerhebungen kommen, die Garant sind für die Richtigkeit dazwischen geschalteter Stichprobenanalysen?
  • Qualität: Welche Qualität (Repräsentativität, Vergleichbarkeit) und welchen Inhalt werden die Informationen haben, die aus Registerzählungen mit ergänzenden Stichprobenanalysen stammen?
  • Zugang: Wird gegenüber der wissenschaftliche Forschung garantiert sein, dass kein Zugangsmonopol des BfS entsteht?
  • Fristgerechte Umsetzbarkeit: Kann die Harmonisierung der kantonalen Einwohnerregister bis 2010 vollzogen werden? Das entsprechende Gesetz zur Registerharmonisierung wird voraussichtlich erst 2006 dem Parlament vorgelegt.
  • Datenschutz: Der Bundesrat hat im Oktober 2004 aufgrund der kritischen Vernehmlassungsergebnisse aus Datenschutzkreisen darauf verzichtet, das Projekt Personenidentifikator weiter zu verfolgen. Wie wird er nun die für Registerzählungen notwendige Personenidentifikationsnummer einführen, für die bereits die neue «Sozialversicherungsnummer» vorgesehen ist?
  • Gesetzesgrundlage: Die Ablösung der Volkszählung durch die Registerzählung mit ergänzenden Stichprobenanalysen bedingt, dass das Volkszählungsgesetz von 1998 aufgehoben bzw. abgelöst wird. Wann wird der Bundesrat dem Parlament die entsprechende Botschaft vorlegen?
  • Kosten: Wie viel billiger wird die Registerzählung mit ergänzenden Stichprobenanalysen für die Beteiligten tatsächlich sein?

Das gewählte übereilte Vorgehen gefährdet ein staatspolitisch bedeutendes und für die Forschung unverzichtbares Instrument. Es sollte deshalb dringend von der Idee Abstand genommen werden, eine so fundamentale Änderung wie die Registerzählung mit ergänzenden Stichprobenanalysen schon für die Volkszählung 2010 durchzuführen. Der CPS empfiehlt, die aufgeworfenen Fragen einer sorgfältigen, neutralen Prüfung zu unterziehen und die Ergebnisse und Folgerungen in einer wissenschaftlichen, von aussenstehender Seite erstellten Expertise zusammenzufassen.

Wir danken Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesrat Couchepin, für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit und verbleiben mit freundlichen Grüssen

Prof. Dr. Ioannis Papadopoulos Dr. Markus Zürcher Präsident CPS Generalsekretär SAGW

Zur Kenntnisnahme an Nationalrat Theophil Pfister, Präsident der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrates