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Landessprache als erste Fremdsprache

Stellungnahmen

Stellungnahme der Kommission Sprachen und Kulturen der SAGW zuhanden der Mitglieder der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates und des Ständerates

Bern, 2. März 2006

 

Stellungnahme der SAGW zum Entscheid der WBK «Landessprache als erste Fremdsprache» an den Primarschulen

Sehr geehrte Damen und Herren Nationalräte 
Sehr geehrte Damen und Herren Ständeräte 

Im März 2004 hat die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) ihre Strategie zum Sprachenunterricht verabschiedet, in welcher der Unterricht zweier Fremdsprachen – einer Landessprache und einer weiteren Fremdsprache – vorgesehen ist, wobei die Reihenfolge dieser Sprachen den Kantonen überlassen wird. Mit Besorgnis hat die Kommission «Sprachen und Kulturen» der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) nun den Beschluss der nationalrätlichen WBK zur Kenntnis genommen, im Entwurf des Sprachengesetzes den Kantonen die Reihenfolge der zu unterrichtenden Fremdsprachen vorzuschreiben. Laut Entscheid der WBK sollen die Kantone dazu verpflichtet werden, als erste Fremdsprache auf jeden Fall eine Landessprache auf den Lehrplan zu setzen. 
Die Kommission «Sprachen und Kulturen» der SAGW, die sich u.a. mit der Förderung und Vernetzung der Forschung im sprach- und kulturwissenschaftlichen Bereich befasst, hat die Konsequenzen der WBK-Entscheides an ihrer letzten Sitzung diskutiert und nimmt dazu wie folgt Stellung:

  • Der Entscheid der Schweizerischen Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) erscheint in der gegenwärtigen Situation als einzige gangbare Lösung. Gerade weil uns die mehrsprachige Erziehung und die Förderung der Landessprachen überaus wichtig ist, sollte unserer Meinung nach an diesem Entscheid festgehalten werden.
  • Wird der EDK-Kompromiss umgestossen, besteht nach unserer Ansicht die Gefahr, dass jene Kantone, die bereits gegenwärtig eine Nicht-Landessprache, d.h. Englisch, favorisieren, diesen Weg noch kompromissloser verfolgen.
  • Zwar können wir die staatspolitischen Gründe für die Bevorzugung einer Landessprache als erste Fremdsprache durchaus nachvollziehen, wir halten jedoch eine Diskussion über die Reihenfolge im Sprachenunterricht im jetzigen Moment für kontraproduktiv, da sie möglicherweise jene Kräfte stärken könnte, die für ein Modell mit nur noch einer Fremdsprache eintreten (s.u.).
  • Wir halten die vielerorts laufenden Bestrebungen, nur noch eine Fremdsprache an der Primarschule zu unterrichten, für die grössere Gefahr in der Schweizer Sprachenlandschaft als die Frage um die Abfolge des Unterrichtes (vgl. die Initiative «Nur eine Fremdsprache an der Primarschule», über die demnächst in diversen Kantonen abgestimmt wird). Falls diese Bestrebungen Erfolg haben sollten, ist zu befürchten, dass die aufgegebene Fremdsprache in den meisten Fällen die Landessprache sein wird.

Aus den genannten Gründen plädieren wir dafür, den in der momentanen Situation einzig möglichen Kompromiss der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren zu wahren und nicht durch eine – wenn auch staats- und kulturpolitisch durchaus nachvollziehbare – fest definierte Abfolge der zu unterrichtenden Sprachen zu gefährden.

Wir hoffen, bei Ihnen Verständnis für unser Anliegen wecken zu können, und danken Ihnen sehr für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüssen 
Prof. Dr. Walter Leimgruber 
Präsident der Kommission «Sprachen und Kulturen» der SAGW