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Stellungnahme zur Revision des Urhaberrechtsgestzs

Stellungnahmen

Revision des Urheberrechtsgesetzes: Stellungnahme

 

Herr Bundesrat
Christoph Blocher
Vorsteher des Eidgenössischen Justiz-und Polizeidepartementes 
Bundeshaus West
3003 Bern


Sehr geehrter Herr Bundesrat Blocher

Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zur Revision des Urheberrechtsgesetzes (URG) haben eine Anzahl Institutionen aus den Bereichen Bildung, Lehre und Forschung, Bibliotheken und Archive sowie kulturelles Schaffen detaillierte Stellungnahmen beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum deponiert.

Wie Sie wissen, hat die Schweizerische Akademie der Geistes-und Sozialwissenschaften gemeinsam mit verschiedenen Partnerorganisationen am 21. April in Bern eine Tagung «Digitalisierung und Urheberrecht durchgeführt und dabei eine Resolution verabschiedet, die Ihnen zugegangen ist. Es ging darum, nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist vom 31. Januar 2005 Alarm zu schlagen.

Gestützt auf die Ausführungen unserer Referentinnen und Referenten sowie die Ihnen bereits bekannten Stellungnahmen verschiedener Organisationen der Bereiche Bildung, Lehre und Forschung und kulturelles Schaffen haben wir die vorliegende Stellungsnahme verfasst. Diese kondensiert die richtungsweisenden Anliegen der vorgenannten Organisationen und soll mit Nachdruck unterstreichen, dass eine (dem Entwurf des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte entsprechende) Revision des URG in den genannten Bereichen massive Behinderungen der Arbeit nach sich zieht.

1. Allgemeine Beurteilung des Entwurfs

Der Entwurf des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte versäumt es, die Verunsicherung im Umgang mit (kopier-)geschützten Medien zu beheben. Er bevorteilt einseitig die Inhaber von Urheberrechten gegenüber den Nutzern, weil er ganz offensichtlich nur die Interessen der Unterhaltungsindustrie zu schützen versucht. Die Interessen der Nutzer von Text-und Bildrechten aus den Bereichen Bildung, Lehre und Forschung, Bibliotheken und Archive sowie kulturelles Schaffen bleiben dabei unberücksichtigt.

Aus der Sicht der obgenannten Institutionen ergeben sich daraus folgende Feststellungen zu den zentralen Punkten technische Schutzmassnahmen, zusätzliche Gebühren und Nutzung von Archivalien:

Technische Schutzmassnahmen:
Es ist nicht akzeptabel, dass Bildung, Lehre und Forschung, Bibliotheken und Archive sowie kulturelles Schaffen in ihrem verfassungsmässig gewährten Recht auf Eigengebrauch (Art. 19 URG) durch den Kampf der Unterhaltungsindustrie gegen Raubkopien von Musik und Filmen im Internet behindert werden. Es ist die Pflicht der Rechtsinhaber, Daten, die auf kopiergeschützten Medien veröffentlicht werden, ohne Kopierschutz und in unverminderter Qualität für Bildung, Lehre und Forschung, Bibliotheken und Archive sowie kulturelles Schaffen zur Verfügung zu stellen.

Zusätzliche Gebühren:
Neben den gebräuchlichen Abgaben auf Kopien und Datenträger an die Verwertungsgesellschaften und den zunehmenden Lizenzabgaben sieht der Gesetzesentwurf die Einführung von Geräteabgaben vor. Die zusätzlichen Kosten belasten vor allem Bibliotheken und Archive und werden nicht durch eine zusätzliche Leistung der Rechtsinhaber abgegolten. Es ist unsinnig, dass so über staatlich finanzierte Institutionen die Wirtschaft quersubventioniert wird. Nutzer sind gemäss Art. 60 URG insoweit von der Leerträgerabgabe zu entlasten, als sie im Rahmen des Eigengebrauchs (Art. 19 URG) den Contentinhaber direkt entgelten.

Nutzung von Archivalien:
Es ist unhaltbar, dass wegen der Sperrigkeit des Urheberrechtsgesetzes ein grosser Reichtum an Archivalien nicht genutzt werden kann. Dies ist der Fall, wenn Urheberrechtsabklärungen durch eine Vielzahl von an einem Werk beteiligten Personen oder durch aufwändige Recherchen mit unrealistischem Aufwand verbunden wären.


2. Stellungnahme zu einzelnen Bestimmungen

Wie die einzelnen eingereichten Stellungnahmen von Institutionen aus den Bereichen Bildung, Lehre und Forschung und kulturelles Schaffen zeigen, betreffen die Schwachstellen des URG-Entwurfes folgende Artikel:

- Art. 19 Verwendung zum Eigengebrauch: Muss explizit regeln, dass Bildung, Lehre und Forschung und kulturelles Schaffen zum Eigengebrauch berechtigt sind (etwa im Sinne der EU-Richtlinien von 2001, Art. 5, der von Kategorien «nicht kommerzieller Nutzung» spricht, insbesondere für die wissenschaftliche Forschung, oder – ähnlich dem deutschen Urheberrechtsgesetz – im Sinne einer Ausnahme zum «eigenen wissenschaftlichen Gebrauch»). Die Durchsetzung der Privatgebrauchsschranke muss für obgenannte Nutzungszwecke vollständig gewährleistet sein, d.h. auch hinsichtlich im Handel erhältlicher Werkexemplare.

- Art. 24a (neu) Vorübergehende Vervielfältigung: Darf keine Einschränkung der Kopien zur Erhaltung eines Werkes beinhalten. Behindert die professionelle Werkaufbewahrung und schränkt die Nutzung durch Bildung, Lehre und Forschung und kulturelles Schaffen ein.

- Art. 26 Museums-, Messe-und Auktionskataloge, Archivinventare: Die Schrankenbestimmung ist so zu präzisieren, dass Sammlungskataloge sowie Datenbanken mit Objekten unterschiedlicher Institutionen von der Reproduktionsentschädigung befreit sind. Gemäss der Richtlinie der EU (Richtlinie 2001/29/EG vom 22. Mai 2001), können für die Nutzung zum Zwecke der Werbung für die öffentliche Ausstellung oder den öffentlichen Verkauf von künstlerischen Werken unter Ausschluss jeglicher kommerzieller Nutzung (Art. 5 Abs. 3 Bst. j i.V.m. Art. 5 Abs. 4 Richtlinie) Ausnahmen vom Vervielfältigungs-und Verbreitungsrecht sowie vom Recht auf Zugänglichmachung / öffentliche Wiedergabe vorgesehen werden.

- Art. 38a (neu) Archivaufnahmen: Darf keine Beschränkung auf Sendeunternehmen enthalten. Die Schutzfrist ist von 10 auf 5 Jahre herabzusetzen.

- Art. 39a (neu) Schutz technischer Massnahmen: Die Umgehung von technischen Massnahmen muss für Verwendungen in den Bereichen Bildung, Lehre und Forschung, kulturelles Schaffen und Archivierung garantiert sein.

- Art. 39b (neu) Pflichten der Anwender technischer Massnahmen: Für Personen mit rechtmässigem Zugang zu geschützten Objekten muss der Zugriff antragslos möglich sein.


Wir zweifeln nicht daran, dass den hier auf der Grundlage von bereits zugegangen Stellungnahmen formulierten Anliegen bei der Revision des Urheberrechtes Rechnung getragen werden kann. Wir danken Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.

Dr. Markus Zürcher Generalsekretär

Kopie: Bundesrat Pascal Couchepin -Carlo Govoni, Leiter der Abteilung für Urheberrecht, Institut für Geistiges Eigentum
Anhang