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Stellungnahme der akademien-schweiz zur Teilrevision des Gentechnikgesetzes

Stellungnahmen

Teilrevision des Gentechnikgesetzes: Die akademien-schweiz sind gegen das Moratorium

Die Teilrevision des Bundesgesetzes über die Gentechnik im Ausserhumanbereich sieht unter anderem eine Verlängerung des Freisetzungsmoratoriums für gentechnisch veränderte Organismen vor. Die akademien-schweiz sehen keine naturwissenschaftlich begründete Notwendigkeit für eine Verlängerung des Moratoriums und beantragen, diesen Absatz zu streichen. Mit der Moratoriumsverlängerung ist keine verbesserte Biosicherheit zu erwarten. Sie bringt keinen wissenschaftlichen Nutzen und hat kaum positive Effekt auf Land- und Forstwirtschaft. Zudem kann sich eine Verlängerung negativ auf den Forschungs- und Technologiestandort Schweiz auswirken.
 

Vorentwurf für eine Teilrevision des Gentechnikgesetzes (GTG): Stellungnahme der akademien-schweiz 

Bundesrat
Moritz Leuenberger
UVEK 3003 Bern 
Bern, 12. Februar 2009


Sehr geehrter Herr Bundesrat Leuenberger
Sehr geehrte Damen und Herren 

Am 8. Dezember 2008 haben Sie eine Teilrevision des Bundesgesetzes über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (Gentechnikgesetz, GTG) in die öffentliche Vernehmlassung geschickt. Kernstück dieser Revision ist eine Verlängerung des Freisetzungsmoratoriums für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) um 3 Jahre, vom 27. November 2010 bis zum 27. November 2013. Gerne nehmen wir die Gelegenheit wahr, dazu aus Sicht der Forschenden Stellung zu nehmen. Wir beschränken uns dabei auf eine Stellungnahme zum neu vorgesehenen Art. 37a GTG. 

Grundsätzliche Bemerkungen 

Die Akademien haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sie das Vorsorgeprinzip als Richtschnur für die Regulierung menschlicher Tätigkeiten unterstützen, die neben Chancen auch Risiken beinhalten. Dabei geht es um rational nachvollziehbare Beurteilungen des langfristigen Nutzens und der Tragbarkeit von Risiken auf dem aktuellen Stand der Erkenntnisse. Das geltende GTG konkretisiert bei konsequenter Anwendung dieses Prinzip in ausreichendem Masse, in Kombination mit der im vergangenen Herbst in Kraft gesetzten total revidierten Freisetzungsverordnung. Die in Art.6 Abs.3 GTG festgehaltenen Kriterien für Bewilligung von Freisetzungen müssen immer auf der Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnis angewendet werden. Um dies zu gewährleisten müssen die entsprechenden fachlichen Kompetenzen in der Schweiz längerfristig gesichert werden. 

Das GTG ist eine der weltweit strengsten Gesetzgebungen in diesem Bereich. Die akademien-schweiz stehen vorbehaltlos hinter dieser gesetzlichen Grundlage. 

Erfahrungen der Forschung mit dem Freisetzungsmoratorium

Die im Jahr 2005 von Volk und Ständen angenommene Übergangsbestimmung in der Verfassung untersagt die Einfuhr und in Verkehrsetzung von GVO in Land-und Forstwirtschaft sowie Gartenbau für fünf Jahre. Nicht betroffen sind Freisetzungsversuche zu Forschungszwecken. 

Die in den akademien-schweiz zusammengeschlossenen Forschenden haben vor drei Jahren auf die Möglichkeit hingewiesen, dass ein Moratorium indirekt zu einem Imageverlust der Erforschung von GVO führen könnte, mit entsprechenden Auswirkungen auf diesen Forschungszweig. Auch der Bundesrat befürchtete damals negative Auswirkungen auf den Forschungsstandort Schweiz. Heute kommt er, basierend auf wenig aussagekräftigen Daten, zum Schluss, dass keine negativen Effekte festgestellt werden können. 

Die akademien-schweiz kommen zu einer differenzierten Beurteilung der Sachlage: 

Die Risiko-und Folgenforschung wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 59 gefördert, und konnte auf dem ursprünglichen Stand gehalten, bzw. sogar ausgebaut werden. Ohne konkret geplante Schritte ist aber zu befürchten, dass es in diesem Bereich nach Auslaufen des NFP, zu einem deutlichen Rückgang kommt. Dies ist im Hinblick auf eine längerfristige Sicherung der Kompetenzen zur fachgerechten Beurteilung von Gesuchen zur Freisetzung nach GTG problematisch. Konkrete Schritte zur Sicherung dieses orientierten Forschungsbereiches müssen so rasch als möglich geprüft werden und nicht erst nach Auslaufen des NFP 59, wie vom Bundesrat geplant. 

Angewandte Pflanzen-Biotechnologie wird im 21. Jahrhundert wahrscheinlich grosse ökonomische Bedeutung erlangen. Es ist wünschenswert, dass die Schweiz hier eine wichtige Rolle innehat. Indirekte negative Effekte des Freisetzungsmoratoriums für diesen Forschungsbereich in der Schweiz sind möglich. Den akademien-schweiz ist die Sicherung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein besonderes Anliegen. Aus den uns vorliegenden Rückmeldungen lässt sich zurzeit kein statistisch erhärteter Trend bezüglich Interesse von Studienanfängern und Studierenden an Pflanzenbiotechnologie herauslesen, doch fordern wir den Bundesrat auf, die Entwicklung aufmerksam zu beobachten und allfällige negative Signale ernst zu nehmen.

Erwägungen zur Moratoriumsverlängerung 

  • Es ist keine verbesserte Biosicherheit zu erwarten
    Eine konsequente Anwendung des GTG und der Freisetzungsverordnung verhindert schon jetzt eine Nutzung von GVO, die gemäss aktuellem Kenntnisstand Gefahrenpotentiale bergen könnten. Die Resultate des NFP 59 reihen sich ein in eine grosse Anzahl von bestehenden weltweit erarbeiteten Forschungsergebnissen zur Risiko-und Folgeabschätzung von GVO-Freisetzungen. Sollten die Resultate effektiv eine Neubeurteilung des Risikopotentials von GVO notwendig machen, müssen diese im Bewilligungsverfahren gemäss den Bestimmungen des GTG in jedem Fall berücksichtigt werden, genau gleich wie neue im Ausland gewonnene Erkenntnisse. Aufgrund der langen Dauer derartiger Verfahren sind Erteilungen von Bewilligungen für kommerzielle Freisetzungen vor 2013, d.h. während der Dauer der vorgeschlagenen Moratoriumsverlängerung, ohnehin nicht zu erwarten.
  • Eine Moratoriumsverlängerung bringt keinen wissenschaftlichen Nutzen
    Das NFP 59 wird wichtige wissenschaftliche Fragen zu Sicherheit und Risikopotential von GVO sowie zur Koexistenz von GVO-mit Nicht-GVO Kulturen beantworten. Die zentralen Resultate werden nach Angaben von beteiligten Forschenden zeitgerecht vorliegen. Das Moratorium bringt so gesehen keinen wissenschaftlichen Nutzen. Die Resultate des NFP 59 werden zwar die Erwägungen von PolitikerInnen erleichtern können, aber eine politische Beurteilung nicht ersetzen. Auch daran ändert eine Moratoriumsverlängerung nichts.
  • Kaum positiver Effekt einer Moratoriumsverlängerung auf Land-und Forstwirtschaft sowie für KonsumentInnen
    Die akademien-schweiz anerkennen, dass sich das Label „GVO-frei“ für die Landwirtschaft im aktuellen Marktumfeld positiv auswirkt. Ob die Landwirtschaft dabei auf ein Moratorium (Verbot) angewiesen ist, oder ob nicht derselbe Effekt mit einer transparenten Produktedeklaration (Anreiz) erzielt werden kann, ist mindestens fraglich. Wie bereits ausgeführt, ist auch bei einem Auslaufen des Moratoriums im Jahr 2010 keine Freisetzung von GVO vor 2013 zu erwarten. Die Schweiz wird also auch in diesem Fall während mindestens drei weiteren Jahren „GVO-frei“ bleiben. Weil die Vorbereitung von Freisetzungsgesuchen auch unter einem allenfalls verlängerten Moratorium möglich ist – nur die Bewilligung ist ausgesetzt – ist ein effektiver Nutzen der Moratoriumsverlängerung in dieser Hinsicht fraglich.
  • Forschungs- und Technologiestandort ist tangiert
    Das Moratorium impliziert eine generell negative Beurteilung der Agrar-Biotechnologie, die den bisherigen Erfahrungen in deren Anwendung im Ausland nicht entspricht. Dies führt zu einer negativen Beurteilung von Chancen für Anwendungen der Forschung in diesem Bereich. Entsprechend weichen potentielle Nachwuchsleute in andere Fachgebiete aus oder suchen sich Stellen im Ausland. Firmengründungen und Ansiedelungen von Firmensitzen oder Filialen in diesem Bereich sind in der Schweiz während der Dauer eines Moratoriums nicht realistisch. Diese Effekte lassen sich aktuell nicht mit statistischen Erhebungen belegen, scheinen aber in Diskussionen mit Betroffenen immer wieder durch.

Beurteilung einer Verlängerung des Freisetzungsmoratoriums 

Die akademien-schweiz sehen keine naturwissenschaftlich begründete Notwendigkeit für eine Verlängerung des Moratoriums. Wir stellen deshalb folgenden Antrag: 

Antrag: Der neu vorgesehene Artikel 37a GTG ist ersatzlos zu streichen. 

Auf eine Beurteilung der übrigen Gesetzesanpassungen verzichten wir. 

Unabhängig vom Ausgang der parlamentarischen Beratungen fordern wir Bundesrat und Parlament auf, gezielte Massnahmen zur Sicherung der notwendigen Kompetenzen für Risiko-und Folgenforschung von GVO-Freisetzungen zu treffen. Dies ist notwendig, um eine sachgerechte Anwendung des GTG und der Freisetzungsverordnung aufgrund neuester Erkenntnisse zu garantieren und so dem Vorsorgeprinzip Nachachtung zu verschaffen 

Mit freundlichen Grüssen 
Peter Suter, Präsident akademien-schweiz 
Markus Zürcher, Generalsekretär akademien-schweiz 

Die akademien-schweiz stützen sich bei dieser Stellungnahme auf Beiträge von Personen folgender Gremien: 

  • Forum Genforschung (SCNAT)
  • Forum Biodiversität Schweiz (SCNAT)
  • Plattform Biologie (SCNAT)
  • Kommission für angewandte Biowissenschaften (SATW)

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