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Die Bedeutung der Geisteswissenschaften für eine demokratische Gesellschaft

Beatrice Kübli
Pertinence sociale Gesellschaftliche Relevanz

Lesekompetenzen, Medien und die alten Griechen fördern das Verständnis für Zusammenhänge und sind wichtig für unsere Demokratie. Ein Beispiel zum Nutzen der Geisteswissenschaften in einer altbekannten Diskussion.

Im Blog-Artikel von letzter Woche setzten wir uns mit Vorwürfen auseinander, die in jüngster Zeit wieder gegen die Geisteswissenschaften geäussert werden. Wir nehmen dies zum Anlass, die Kritik etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Beginnen wir mit der Aussage: «Die Geisteswissenschaften sind irrelevant.» Dass der Nutzen der Geisteswissenschaften in Frage gestellt wird, ist nicht neu. Sie seien schöngeistig, aber in der Wirtschaft nicht zu gebrauchen. Was gefördert werden müsse, sei der Mint-Bereich, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Da fehlt vielleicht etwas der Blick fürs Ganze. Eine florierende Wirtschaft setzt eine Reihe von Bedingungen voraus. Darunter fällt u.a.m. die gegenseitige Verständigung. Dazu tragen in einer Demokratie die Medien bei. Dies setzt Lesekompetenz und ein Verständnis für Zusammenhänge voraus, Kompetenzen, welche die Geisteswissenschaften vermitteln.

Medien

Die Bedeutung der Medien für die Demokratie ist unbestritten. Sie beobachten und kritisieren die verschiedenen Akteure, stellen den Austausch zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sicher, informieren die Bürgerinnen und Bürger, regen zu Debatten an und liefern Entscheidungsgrundlagen. Otfried Jarren beschreibt es im jüngsten Jahrbuch «Qualität der Medien» wie folgt: «Publizistische Medien sind bedeutende Institutionen für Kohäsion und für das geteilte Wahrnehmen von Gemeinsamkeiten wie Unterschieden.» In einer vielfältigen, wechselhaften und dynamischen Welt brauche es zuverlässige Informationen, um kollektive, aber auch persönliche Entscheide zu treffen. Ein kurzer Blick auf das Impressum der NZZ zeigt, wer sich in erster Linie um diese anspruchsvolle Aufgabe kümmert: Die Mehrheit der aufgeführten Journalistinnen und Journalisten hat einen geistes- oder sozialwissenschaftlichen Hintergrund. Nun helfen gute Medienschaffende aber nichts, wenn sie keine kompetenten Leserinnen und Leser finden. Und genau hier zeichnen sich Schwierigkeiten ab.

Lesekompetenz und ein Verständnis für grosse Zusammenhänge

Lesekompetenz ist entscheidend, um sich ausreichend und ausgewogen über unsere Gesellschaft zu informieren. Es ist eine geisteswissenschaftliche Kernkompetenz, auf die in der Schule bisher viel Gewicht gelegt wurde. Bei der Lesekompetenz liegen die Schweizer Schülerinnen und Schüler neuerdings aber unter dem OECD-Durchschnitt, wie die letzte Pisa-Studie zeigte. Das war nicht immer so. Seit Beginn der Pisa-Studien im Jahre 2000 verbesserte sich die Lesekompetenz in der Schweiz kontinuierlich. 2012 erreichte sie den Höchststand. In dieser Zeit wurde der Fachkräftemangel ein Thema, worauf der Bund in der BFI-Periode 2013-2016 die Förderung der Mint-Bereiche vorsah. Ob Zufall oder nicht, aber seit der Fokus auf den Mint-Bereichen liegt, sinkt die Lesekompetenz der Schweizer Schülerinnen und Schüler drastisch. Was heute zählt, sind Zahlen. Dabei wäre die Fähigkeit, Bedeutungen in grossen Zusammenhängen zu erkennen, gerade in Zeiten allgemeiner Verunsicherung durch Fake News wichtig. Wie die Lesekompetenz gefördert werden kann, beschreibt Cornelia Rosebrock im Artikel «Was ist Lesekompetenz, und wie kann sie gefördert werden?» auf leseforum.ch. Für alle jene, die bereits über ausreichend Lesekompetenz verfügen, verweisen wir im Folgenden auf einen Medienartikel, der erklärt, was die Philosophen zur Demokratie beitragen.

Philosophie für ein besseres Demokratieverständnis

Die Analyse Platons zu den Ursachen, die zu Instabilität und Verfall bestehender politischer Ordnungen führen, habe nichts an Aktualität verloren, schreibt Christoph Riedweg, Professor für klassische Philologie an der Universität Zürich, in der NZZ vom 29.08.2019. «Wer sich auf eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit der politischen Philosophie der Griechen und Römer einlässt, stellt bald fest, dass die antike Reflexion ein erstaunliches Reservoir an gesellschaftspolitischen Einsichten, Anregungen und Fallbeispielen bereithält: Es lädt wie von selbst zum Vergleich und zum Nachdenken über die eigene Situation ein.» Beim Nachdenken über die aktuelle Situation mag sich der eine oder andere dann vielleicht auch fragen, wieso eigentlich die Mint-Bereiche so viel wichtiger sein sollen als die Geisteswissenschaften.

Einen Überblick zu den Leistungen und der Relevanz der Geisteswissenschaften finden Sie auf: https://abouthumanities.sagw.ch

Empfehlungen für eine wirksame Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften (PDF)