Die Zwei- und Mehrsprachigkeit, aber auch die Sprachspezialitäten der Schweiz, die Helvetismen, sind oft diskutierte Themen – vor allem entlang des Röstigrabens. Zwei Ausstellungen – eine im Centre Dürrenmatt (Neuchâtel) und eine im Nouveau Musée de Bienne (Biel)–, eine neue Publikation sowie Schulen im Kanton Wallis würdigen die Eigenheiten der verschiedenen Formen von Schweizer Mehrsprachigkeit.
Helvetismen und Schweizer Mundarten als Identitätsmerkmale
Das Centre Dürrenmatt fokussiert in seiner Ausstellung «Helvetismen – Sprachspezialitäten» auf Begriffe, die von der sprachlichen Vielfalt der Schweiz zeugen und sich auch gegenseitig beeinflusst haben. Beispiele dieser gegenseitigen Beeinflussung finden sich in allen schweizerischen Dialekten, auch in den Tessiner Dialekten, wie dies Franco Lurà und Dario Petrini in ihrer Publikation «I segni dell’altro» aufzeigen: riépli (Rüebli, Karotte), viagiá in négar (schwarzfahren), paufír (Bauführer). Auch Friedrich Dürrenmatt verwendete in seinen literarischen Werken und in seinen Karikaturen zahlreiche Helvetismen. Seine Antwort auf einen Zwischenruf bei einer Rede in Deutschland, er solle Hochdeutsch sprechen, war: «Ich kann nicht höcher!». Der Germanist Urs Bühler plädiert in der NZZ dafür, dass Helvetismen «alles andere als Ausschussware» seien, und dass Schweizerinnen und Schweizer durchaus etwas selbstbewusster auftreten dürfen. Sie sollen in Texten aller Art auch ihre sprachregionalen Eigenarten pflegen, denn «just das Vokabular im mundartnahen Zwischenbereich birgt oft solch lautmalerische Kraft, dass die Standardauswahl daneben verblasst.»
Biel und Freiburg: unterschiedliche Perspektiven auf die Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit
Die kürzlich von Rainer Schneuwly erschienene Publikation «Bilingue – Wie Freiburg und Biel mit der Zweisprachigkeit umgehen» präsentiert die zweisprachigen Städte und Sprachgemeinschaften von Biel/Bienne und Fribourg/Freiburg und untersucht deren Umgang mit der Zweisprachigkeit aus historischer und kultureller Perspektive. Schaut man sich allerdings den Titel der Ausstellung im Neuen Museum Biel, kommen plötzlich Zweifel an der Zweisprachigkeit Biels: «Le bilinguisme n’existe pas». Aber das Rätsel löst sich beim Weiterlesen auf: «... le plurilinguisme existe». Die sehr reichhaltige Ausstellung dokumentiert den Aufschwung und die Entwicklung Biels. Den roten Faden der Ausstellung bilden, symbolisch, die Trümmer des eingestürzten Turms zu Babel. Der Gitterstruktur aus Holzbalken folgend, erlebt die Besucherin die Geschichte der Zweisprachigkeit der Stadt sowie deren Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung. Je näher man der Aktualität kommt, desto klarer wird, dass das heutige Biel nicht mehr «nur» zweisprachig, sondern multikulturell und mehrsprachig ist.
Intensivierter Austausch zwischen Ober- und Unterwallis
Im Wallis wird die Zweisprachigkeit wieder stärker wahrgenommen und hat mehr Bedeutung erhalten, denn die Tatsache, dass «der Kanton Wallis die Kohäsion zwischen seinen Regionen» bewahren will, steht an zentraler Stelle im Regierungsprogramm des Walliser Staatsrats.
Dass die Zeitungen «Le Nouvelliste» sowie der «Walliser Bote» ihre Zusammenarbeit verstärkt haben und ihren Abonnenten bis Ende Jahr die Möglichkeit offerieren, die jeweils andere Zeitung zum halben Preis zu abonnieren, deutet darauf hin, dass die Regionen sich stärker verbinden. Der Generaldirektor der Groupe Rhône Media, Eric Meizoz, hat denn auch klargemacht, dass ihre Aktion eine positive Signalwirkung zugunsten der Zweisprachigkeit im Kanton haben solle. Auch der Chefredaktor des Nouvelliste, Vincent Fragnière, bedauert den bisher eher geringen sprachlichen Austausch zwischen Ober- und Unterwallis und begrüsst die intensivierte Zusammenarbeit.
Mehrsprachigkeit ist nützlich
Der (sprachliche) Austausch hat, zumindest entlang des Röstigrabens, an Bedeutung gewonnen. Üblicherweise besitzen die meisten mehr oder weniger Kenntnisse in mehr als einer Sprache – Mehrsprachigkeit ist also verbreitet – und auch nützlich. Sandra Schneider, die Zuständige des Kantons Wallis für Sprachaustausche bestätigt, dass die Nachfrage nach dem Erlernen der zweiten Kantonssprache in den letzten Jahren gestiegen sei. Daher wurden in den grösseren Orten des Wallis zweisprachige Klassen ab der ersten Harmos-Stufe eingeführt und es gibt unterschiedliche Formen des Schüleraustausches im jeweils anderen Kantonsteil. Vor diesem Hintergrund überrascht die Meldung des Schweizer Fernsehens nicht, dass Bund und Kantone in den Schulen mehr Sprachaustausche wollen.