Veranstaltungsdetails

Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik

18.11.2010, 22:50

In enger Zusammenarbeit mit zahlreichen Partnern hat die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) in den vergangenen drei Jahren das schweizerische Netzwerk Generationenbeziehungen aufgebaut. Bisher haben wir sechs Werkstattgespräche und zwei grössere Tagungen durchgeführt sowie eine Studie in Auftrag gegeben.

Die Publikation «Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik» dokumentiert die bisherige Arbeit und ergänzt diese um weitere Beiträge. Die in den letzten drei Jahren gewonnen Erkenntnisse stellen wir an der Tagung vom 18. November zur Diskussion vor. Von der Hypothese ausgehend, dass die sozialpolitische Debatte an einem toten Punkt angelangt ist, wollen wir mit der Idee der Generationenpolitik neue Sichtweisen in die öffentliche Diskussion einbringen und Impulse für politische Massnahmen geben.

Zur Einführung

Der demographische Wandel, veränderte Lebensformen und sich daraus ergebende, neue soziale Risiken und Chancen fordern das soziale Sicherungssystem der Schweiz heraus. Überdies steht das historisch gewachsene, soziale Sicherungssystem mit seiner Vielzahl von Transferleistungen unter dem Verdacht mangelnder Effizienz und Wirksamkeit. Bürgerliche Kräfte fordern Reformen und schliessen auch einen Abbau nicht aus. Linke Kräfte wehren sich dagegen und weisen auf Lücken im sozialen Netz (z.B. Ergänzungsleistungen für einkommensschwache Familien, Versicherung für Langzeitarbeitslose) hin, die zu schliessen sind. Die Diskussion über sozialpolitische Reformen im Parlament ist oft blockiert. Mehrere dem Volk unterbreitete Vorlagen erwiesen sich nicht als mehrheitsfähig.

In dieser Situation bringt die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften mit dem Netzwerk "Generationenbeziehungen" die Idee einer Generationenpolitik ins Spiel. Sie wurde im Rahmen von mehreren Werkstattgesprächen sowie Tagungen erarbeitet und schrittweise konkretisiert. Es geht zunächst um einen Vorschlag, von dem wir annehmen können, dass er ungeachtet aller politischen Interessen und Richtungen wohl konsensfähig ist. Denn die Einsicht in die Angewiesenheit und gegenseitige Verantwortlichkeit von Alt und Jung ist breit akzeptiert. Insbesondere aber veranschaulichen die Generationenbeziehungen in ihrer dynamischen Vielfalt in allen Lebensbereichen konkret die unerlässliche Zukunftsorientierung von Politik, jener des Staates ebenso wie jener nichtstaatlicher Akteure. Die Idee der Generationenpolitik steht für eine zukunftsorientierte integrative und darum konsensfähige Sichtweise der Sozial- und Gesellschaftspolitik.

Anknüpfend an Bestehendem sollen Gemeinsamkeiten unterschiedlicher Ansätze der Gesellschaftspolitik herausgearbeitet werden und Anstösse zur Verknüpfung bestehender Politikbereiche gegeben werden. Ein besonderes Augenmerk gilt der Verflechtung zwischen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Es geht nicht um ein weiteres Politikfeld, sondern um eine Sichtweise, die allerdings in etablierten Bereichen neue Perspektiven öffnen kann. Ausgehend von der Publikation „Auf dem Wege zu einer Generationenpolitik“ stellen wir die Frage zur Diskussion, welche Impulse und Beiträge die Generationenpolitik zur Transformation des Sozialstaates zu leisten vermag. Im Fokus steht folglich die Sozialpolitik, die im breit verstandenen Sinne der Generationenpolitik die Familien-, Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Fiskal- und Steuerpolitik einschliesst.

Ziele

Die Publikation, für die wir mit Bedacht den Titel „Auf dem Weg zu einer Generationenpolitik“ gewählt haben, dient dazu, die öffentliche Debatte über die Möglichkeit, Notwendigkeit, Wünschbarkeit und Tragweite von "Generationenpolitik" zu lancieren. Diese ist als Anstoss in einer Situation gedacht, in welcher im Bereich der Sozialpolitik und in den damit eng zusammenhängenden Bereichen einerseits neue Konzepte eingefordert werden, andererseits ausgeprägte Polarisierungen bestehen. Dabei gehen wir von der weitgehend unbestrittenen Tatsache aus, dass sich die sozialpolitischen Debatten gegenwärtig im Kreis drehen. Die Idee Generationenpolitik ist ein Versuch, diese Debatte neu zu fokussieren, indem die Zukunft in der alltäglichen Gegenwart der Generationenbeziehungen thematisiert wird. Diskutieren sollen ExpertInnen, VertreterInnen der Zivilgesellschaft sowie ParlamentarierInnen.

Die Tagung hat somit zum Ziel, mit Fachleuten, den Sozialpartnern sowie Mitgliedern des Parlaments zu klären, ob

  • die Reform und Transformation des sozialen Sicherungssystems der Schweiz einer übergreifenden Leitidee bedarf;
  • inwieweit sich die Generationenpolitik als Leitidee anbietet und als solche tragfähig ist;
  • Alternativen bestehen;
  • eine Generationenpolitik die wesentlichen Herausforderungen adressiert;
  • von der Generationenpolitik ein Mehrwert zu erwarten ist;
  • eine Generationenpolitik bestehende und sich blockierende Interessenskonstellationen und -koalitionen überwinden könnte
  • und inwieweit die Idee und die aktuelle Konzeption von Generationenpolitik anschlussfähig an andere Ideen und Initiativen ist bzw. sich mit denen wechselseitig bestärkend trifft.

Leitfragen

  • Welches sind gegenwärtig die übergreifenden Konzeptionen der Sozialpolitik? Sind sie für die Gestaltung wesentlicher Bereiche zielführend und konsensfähig?
  • Inwiefern könnte eine "Generationenpolitik" eine zielführende Leitidee sein? In welchem Verhältnis steht sie zu anderen Leitideen?
  • Kann eine Generationenpolitik die von ihr in Aussicht gestellte Integration zwischen Feldern der Politik sowie zwischen den Angehörigen unterschiedlicher Generationen leisten? Wie verhält es sich diesbezüglich mit Alternativen?
  • Welche Elemente der Idee einer Generationenpolitik in der jetzigen Konzeption sind attraktiv, tragfähig und in sich stimmig? Welche Ergänzungen und Entwicklungen sind notwendig, wünschenswert und möglich?
  • Adressiert die Generationenpolitik die wesentlichen sozialpolitischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft? Falls nein, wo sind die blinden Flecken?
  • Wo besteht Bedarf nach weiterer Konkretisierung und wie könnte diese aussehen?
  • Worin besteht der Mehrwert einer Generationenpolitik?
  • Welche Konvergenzen und Divergenzen weist die Generationenpolitik gegenüber anderen sozialpolitischen Ansätzen und Positionen aus?

Potentiale einer Generationenpolitik

  • Wir schreiben der Generationenpolitik die nachfolgenden Potenziale zu und stellen diese zur Diskussion – Sie
  • liefert eine positiv besetzte, auf die Zukunft orientierte, hinreichend konkrete und zugleich umfassende Programmatik, welche die relevanten gesellschaftlichen Kräfte einzubinden vermag;
  • weist Gemeinsamkeiten mit anderen Konzeptionen aus (z.B. der Politik sozialer Investitionen) und ist daher anschlussfähig;
  • formuliert Rahmenbedingungen, die der Befähigung zu verantwortlichem Handeln sowie der sozialen Teilhabe Rechnung tragen;
  • geht von den Potenzialen und nicht den Defiziten aus;
  • stellt die Teilhabegerechtigkeit ins Zentrum und mündet daher im Unterschied zu den "klassischen" Instrumenten der Sozialpolitik nicht in Umverteilungsfragen;
  • trägt den veränderten Lebensverhältnissen und den sich daraus ergebenden neue sozialen Risiken Rechnung;
  • bezieht die Reproduktion bzw. die Familienarbeit gleichwertig zur Produktion bzw. Erwerbsarbeit mit ein und trägt damit zur Lockerung der engen Verquickung von Lohnarbeit und Sozialpolitik bei;
  • führt zusammen, was sachlich zusammengehört – Familien-, Bildungs-, Arbeitsmarkt- sowie Fiskal- und Lohnpolitik – und überwindet damit die administrativ gewachsene, sektorielle Logik.