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Wettbewerb zu Schweizer Denkmälern: vier Ideen gekürt

Christina Graf
Communiqué de presseMedienmitteilung Gesellschaft – Kultur – Sprache

«Wie gehen wir mit Denkmälern um, die wir als störend empfinden?» Auf diese Frage haben 28 Personen im Ideen-Wettbewerb der SAGW eine Antwort gegeben.

Bern, 17.11.2021 – «Wie gehen wir mit Denkmälern um, die wir als störend empfinden?» Auf diese Frage haben 28 Personen im Ideen-Wettbewerb der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) eine persönliche Antwort gegeben. Unter den Teilnehmenden finden sich Schülerinnen und Schüler ebenso wie Studierende, Grafikerinnen oder Historiker. Nun haben die Jury und das Publikum vier Siegerprojekte gekürt. Die Beiträge nehmen Bezug auf die Frauenbewegung, einen erfundenen Gründungsmythos, die ökologischen Folgen von Wasserkraft und einen gestürzten König des Tierreichs.

Denkmäler sagen viel aus über die Gesellschaften, die sie erstellt haben. Sie stehen für die Deutung und künstlerische Gestaltung eines Sachverhalts meist durch jene, die ihre Sichtweisen und Erfolge dominant in der Gesellschaft durchsetzen konnten. Aber Gesellschaften verändern sich, während Denkmäler oft bleiben, wie sie waren. Dies erzeugt Spannungen und kann dazu führen, dass wir Denkmäler als irrelevant, aus der Zeit gefallen oder gar als störend wahrnehmen. Im Wettbewerb sollten die Teilnehmenden anhand eines Schweizer Denkmals aufzeigen, wie die Gesellschaft mit solchen Spannungen umgehen könnte. Gefordert waren konstruktive Vorschläge, die eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Gegenwart anregen.

Gesellschaftliche Herausforderungen unserer Zeit

Eine interdisziplinäre Jury aus sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vergab unter den 28 Beiträgen einen ersten, einen zweiten und einen dritten Platz. Die drei gekürten Projekte sprechen gesellschaftliche Grossthemen an: Chancen- und Geschlechtergleichheit, Fragen von Heimat und Identität sowie ökologische Herausforderungen. Die Gewinnerinnen und Gewinner erhalten ein Preisgeld von 1000, 600 und 400 Franken. Bei der Bewertung zählten die gestalterische Umsetzung, die Begründung und die Kreativität jeweils gleich viel.

Erster Platz: «In Memoriam...»

Der erste Platz geht an einen Vorschlag zur Umgestaltung des Denkmals der Arbeit (1964) auf dem Helvetiaplatz in Zürich, eingereicht von Faustina Peloso. Die Gestalterin und Sozialpädagogin vermisst beim Denkmal die Repräsentation der Frauenarbeitsgeschichte, zum Beispiel durch eine «Frau, die kämpferisch verbunden war mit diesem Platz […] Sie wurde vergessen, weil – vielleicht zu unbequem, vielleicht zu rebellisch, vielleicht zu Frau, einfach unpassend, darum weggedacht». Peloso würde zur «kleinen Gruppe aus der Vergangenheit» deshalb eine Frauenfigur hinzufügen, in Erinnerung an Rosa Bloch-Bollag, die «als handelnde Frau fruchtbar für die Gesellschaft vorne hinstand». Auf ihrem Gewand soll sie Symbole für Werte wie Frauenrechte, Toleranz, Denken, Handeln und Gerechtigkeit tragen. Die Autorin greift in ihrem Vorschlag die Chancengleichheit als gesellschaftliche Herausforderung auf, die über die Geschlechterfrage hinausgeht. 

Zweiter Platz: «Ein artgerechter Lebensraum für Mocmoc»

Den zweiten Platz vergab die Jury an die Eingabe «Ein artgerechter Lebensraum für Mocmoc» der Archäologin Iris Hutter und der Historikerin Miriam Edmunds. Sie nahmen sich der Plastik des schwarz-gelben Fabelwesens Mocmoc an, die das Künstlerduo Com&Com 2003 am Bahnhof Romanshorn aufgestellt hat. Halb Fisch, halb Einhorn spalteten nicht nur sein Aussehen und seine Kosten die Romanshorner Bevölkerung: Das Künstlerduo lieferte damals eine Gründungslegende von Romanshorn mit, die sich bald als frei erfunden herausstellte. Heute aber gehörten «Skulptur und Legende […] für junge Romanshorner:innen zur städtischen Identität», schreiben Hutter und Edmunds, weshalb sie nicht einfach entfernt werden könnten. Stattdessen schlagen sie vor, Mocmoc in sein natürliches Habitat (gemäss Legende) zu versetzen, nämlich in die trüben Gewässer vor der Hafenmauer. Dreimal täglich würde Mocmoc auf einer hydraulischen Hebebühne aus dem Wasser auftauchen und ein Lautsprecher im Thurgauer Dialekt die Gründungslegende verkünden.

Dritter Platz: «The Miner and the Neonfish»

Der dritte Platz geht an die Eingabe «The Miner and the Neonfish» der Politgeografen Rony Emmenegger und Stephan Hochleithner. Auf dem Grimselpass steht eine Statue, die an die Arbeiter erinnern soll, welche im frühen 20. Jahrhundert die Wasserkraftwerke Oberhasli erbaut haben. Emmenegger und Hochleithner kritisieren den ausschliesslichen Fokus des Denkmals auf die menschliche Leistung. Es verdecke dadurch «die ökologischen Kosten und Folgen, welche die Gewinnung von Wasserkraft insbesondere für Fische, Wasserorganismen und Flüsse […] hat». Die Autoren schlagen vor, das Denkmal um die Figur eines sterbenden Fisches zu ergänzen, der in Neonfarben leuchtet und wortwörtlich unter den (Pressluft)Hammer kommt. Die Kritik an der Ausbeutung der Natur solle aber nicht auf die Arbeiter zurückfallen, die selbst unter kapitalistischen Produktionsprozessen gelitten hätten. Deshalb solle der Fisch nur nachts neonfarben beleuchtet werden und der Sockel tagsüber weiterhin dem Arbeiter gehören.

Publikumspreis: der gestürzte König des Tierreichs

Nebst der Jury konnte auch das Publikum einen Preis vergeben, dotiert mit 200 Franken. Die rund 350 Onlinevoten ergaben einen klaren Publikumsliebling: die Neuinterpretation des Löwendenkmals in Luzern als leidvoll sterbender «König der Tierwelt», eingereicht von Delia Rossi, Studentin Innenarchitektur und Szenografie. Um auf das Artensterben hinzuweisen, platziert sie den Löwen auf einer «Erde, welche gerade am Explodieren ist». Seine heruntergefallene Krone symbolisiert den Untergang der Tiere in freilebender Wildbahn. Die Beschriftung «the losing game 2025» soll zum Nachdenken darüber anregen, wer dieses Spiel tatsächlich verliert: die Tierwelt oder wir?

Hintergrund-Info und Kontakt

Eine Jubiläumsaktion der SAGW
Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) ist eine Organisation der nationalen Forschungsförderung. Im Jahr 2021 begeht sie ihr 75-Jahr-Jubiläum und lanciert die Aktion «Mal Denken!» als Teil ihres Jubiläumsprogramms. Der Wettbewerb soll die konstruktive Auseinandersetzung mit Denkmälern fördern, weg von der binären Logik des unveränderten Stehenlassens und Entfernens. Es gibt keine Bestrebungen seitens SAGW, die Ideen umzusetzen.  

Mediendossier, Bilder 
Zum Download auf: denk-mal-denken.ch/medien-downloads

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Christina Graf, Kommunikation SAGW
christina.graf(at)sagw.ch
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