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Digital verdichtet: neues Musiklexikon der Schweiz geht online

Heinz Nauer
Recht und Politik

Am 13. Februar ging die Beta-Version des Musiklexikons Schweiz online. Es versammelt verstreute und teilweise schwer zugängliche biografische Informationen zu 6800 Musikern und Musikerinnen – und soll zugleich ein Ausgangspunkt sein für ein neues Nachdenken über die Schweizer Musikgeschichte.

Die Silhouette der Statue von Freddie Mercury in Montreux, in energischer Pose, ziert die Startseite des Online-Lexikons. Doch eigentlich lässt sich das musikalische Schaffen in der Schweiz nicht in einem einzelnen Bild fassen. Zu vielfältig ist es und zu dicht. Und darüber hinaus nur wenig dokumentiert, wie die enzyklopädische Tradition der Schweiz überhaupt zwar lang, aber auch dünn sei, so der Historiker Marco Jorio, Mitglied des Projektteams, an der Pressekonferenz. Das letzte Musiklexikon zur gesamtschweizerischen Musikgeschichte, das «Schweizer Musiker-Lexikon», erschien im Jahr 1964.

Kritische Töne gegenüber der öffentlichen Kulturpolitik

Das Musiklexikon der Schweiz (MLS) geht zurück auf die Initiative der Musikwissenschaftlerin Irène Minder-Jeanneret, die sich vor über sieben Jahren erste Gedanken über ein solches Projekt machte. Partner fand sie in der Schweizerischen Musikforschenden Gesellschaft (SMG) und dem Schweizer Musikrat (SMR). Die Grundlage für das nun vorliegende Lexikon legte ein sechsköpfiges Projektteam unter der Leitung von Cristina Urchueguía, Professorin für Musikwissenschaften an der Universität Bern und Präsidentin der SMG, das in den letzten Jahren viel ehrenamtliche Arbeit in das Lexikon investierte.

Die Projektgruppe schlägt in der Medienmitteilung kritische Töne gegenüber der offiziellen Kulturpolitik an: «Leider wurde bald deutlich, dass die Begeisterung und die Überzeugung der Notwendigkeit eines solchen Nachschlagewerks nicht auf die öffentlichen Stellen, die für die Finanzierung zuständig sind, übergriffen.»

Ein neuer Zugang zum Schweizer Musikschaffen

Das MLS steht im Zeichen der digitalen Verdichtung und Vernetzung. Es enthält zurzeit, von wenigen Pilotartikeln abgesehen, kein neues Material, sondern verknüpft bestehende Daten und Texte, die teils bereits online zur Verfügung standen und teils retrodigitalisiert wurden. Die Stichwortliste umfasst derzeit 6800 Einträge mit 13 500 indexierten Artikeln, die via Metagrid mit weiteren musikwissenschaftlichen Angeboten vernetzt sind.

Die Projektgruppe strebt langfristig eine Vollversion des Lexikons an, die dereinst multimedial und mehrsprachig daherkommen soll. Vor allem aber ist eine inhaltliche Erweiterung vorgesehen. Denn die bisherigen Lexika gäben «ein völlig falsches Bild» der Schweizer Musiklandschaft, sagt Cristina Urchueguía. «Vereine und Institutionen prägen das musikalische Leben in der Schweiz und nicht einzelne grosse Komponisten.» Es gelte den brachliegenden «Ozean an Quellen» in der Schweiz fruchtbar zu machen und das musikalische Schaffen in ihrer Vielfalt ernst zu nehmen. Ein Fachlexikon zur Musik in der Schweiz sollte genauso einen Artikel zu Komponisten wie Paul Hindemith enthalten, wie einen zur Musikgeschichte von Burgdorf oder zu den Tambouren, ist die Projektgruppe überzeugt. Das Lexikon soll so zu einer Art Drehscheibe für einen neuen Zugang zur und für ein neues Nachdenken über das historische und aktuelle Schweizer Musikschaffen dienen. Als nächste Schritte sind neben dem Aufbau einer soliden finanziellen Grundlage unter anderem weitere Pilot-Artikel geplant.

Die Beta-Version des MLS wurde von der SAGW finanziell unterstützt.