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Nationalfonds publiziert Bericht zum akademischen Mittelbau

Der Nationalfonds befragte rund 3900 Nachwuchsforschende aus seinen Projekten zu ihren Arbeitsbedingungen. Es gibt Licht und Schatten.

Unbezahlte Überstunden, strukturelle Arbeitsplatzunsicherheit, ein allzu kompetitives System, das zudem anfällig ist für Machtmissbrauch. Verschiedene Berichte aus den letzten Jahren zeichnen ein prekäres Bild der Arbeitsbedingungen für das wissenschaftliche Personal an Schweizer Hochschulen. Nun legt auch der Schweizerische Nationalfonds (SNF) einen Bericht vor. Im Februar und März liess er Personen befragen, die an den Hochschulen in Projekten mit SNF-Beiträgen angestellt sind. Rund 3900 Nachwuchsforscherinnen und Nachwuchsforscher nahmen an der Umfrage teil, davon rund 2100 Doktorierende, 800 Postdocs und 1000 weitere Mitarbeitende. Über 95 Prozent der Doktoranden und Postdocs, die an der Umfrage teilnahmen, arbeiten in befristeter Anstellung.

Anregende Tätigkeiten, aber wenig Jobsicherheit

Der Bericht zeigt ein Bild mit vielen Schattierungen: Vier von fünf Befragten sind mit ihren allgemeinen Arbeitsbedingungen und mit ihrem sozialen Umfeld ziemlich oder sehr zufrieden. Positiv bewertet werden auch die intellektuellen Anforderungen, der Inhalt der Aufgaben und der Verantwortungsgrad (Abb. 1). Die befragten Postdocs und Doktoranden gaben an, im Durchschnitt fast 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für Forschung aufwenden zu können (spezifisch für die Geistes- und Sozialwissenschaften sind es 68 Prozent bei Postdocs und 72 Prozent bei Doktoranden).

In Bezug auf Arbeitsplatzsicherheit und Arbeitsbelastung sind die Rückmeldungen zwiespältiger. 55 Prozent der befragten Postdocs und 44 Prozent der weiteren Mitarbeiter sind mit ihrer Jobsicherheit sehr oder ziemlich unzufrieden. Fast 60 Prozent arbeiten mehr als die vereinbarte Anzahl Stunden und können Überstunden mehrheitlich nicht kompensieren. Zugleich gab weniger als ein Fünftel der Befragten an, sie sei mit dem Workload sehr oder ziemlich unzufrieden.

Fehlverhalten und Diskriminierung geben zu Denken

Aufhorchen lassen die erhobenen Daten zu akademischem Fehlverhalten und Diskriminierung. Fast jeder Fünfte der befragten Postdocs fühlte sich schon zu akademischem Fehlverhalten gedrängt, fast jeder Dritte gab an, dies bei anderen beobachtet zu haben (Abb. 2). Acht Prozent der Befragten gaben an, an ihrer aktuellen akademischen Stelle diskriminiert oder belästigt worden zu sein, in der Gruppe der weiblichen Postdocs sind es 17 Prozent (Abb. 3). Am häufigsten wurde eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts genannt, gefolgt von Rassismus und Diskriminierung aufgrund des Alters. Diese Zahlen sind hoch, allerdings leicht tiefer als in ähnlichen Umfragen. So gaben zum Beispiel in einer 2021 an der Universität Genf durchgeführten Umfrage mehr als 20 Prozent des wissenschaftlichen Personals an, schon belästigt worden zu sein.

Wachsendes Bewusstsein für problematische Arbeitsbedingungen

Die Schweizer Hochschullandschaft ist ein komplexes System mit vielen Akteuren, in dem sich Verantwortung leicht zerstreut. Der «Early Career Researcher Survey» des SNF lässt sich als Dokument für ein wachsendes Bewusstsein für die teilweise problematischen Bedingungen im akademischen Mittelbau lesen. «Die akademische Welt muss sich an die Anforderungen des heutigen Arbeitsmarktes anpassen, insbesondere an die Erwartungen der neuen Generationen, was ihre Unabhängigkeit und ihre Perspektiven betrifft», betont SNF-Direktorin Angelika Kalt in einer Mitteilung. Die Situation der Nachwuchsforschenden soll in Zukunft systematischer mitverfolgt werden.

Zum Bericht

Die Umfrage wurde im Februar und März 2022 vom Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften Fors im Auftrag des SNF als schriftliche Onlineumfrage durchgeführt. Die Zielgruppe umfasst die Nachwuchsforschenden («early career researchers»), die zu diesem Zeitpunkt in einem vom SNF finanzierten Projekt tätig waren. Insgesamt wurden 9037 Personen kontaktiert. Die Rücklaufquote betrug 46,6 Prozent. Die Ergebnisse der Umfrage geben also Auskunft über die Situation einer spezifischen Gruppe innerhalb des akademischen Mittelbaus und nicht für den ganzen Mittelbau, dessen Zahl in der Schweiz auf rund 40 000 Personen geschätzt wird. 

zum vollständigen Umfragebericht (englisch)