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Drei gute Gründe, weshalb wir stärker auf das Wohlbefinden von Lehrpersonen achten sollten

Autorin: Tina Hascher (Universität Bern) | Redaktion: Heinz Nauer (SAGW)

Über die hohe Belastung von Lehrpersonen zu diskutieren ist wichtig. Es reicht aber nicht aus. Wir müssen noch besser verstehen, was zu ihrem Wohlbefinden am Arbeitsplatz beiträgt.

Der Lehrberuf ist aufgrund des akuten Personalmangels in aller Munde. Wir sollten die Gelegenheit nutzen und darüber nachdenken, was es braucht, damit Lehrpersonen nicht nur professionell, sondern auch dauerhaft und langfristig in unseren Schulen arbeiten. Ihr Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist dabei eine wesentliche Variable.

1. Wohlbefinden ist kein Luxus, sondern ein Grundbedürfnis

Wohlbefinden ist ein sehr weiter und wenig bestimmter Begriff. In der aktuellen Diskussion besteht aber Einigkeit darüber, dass das Wohlbefinden mehrere Dimensionen umfasst, darunter emotionale, kognitive und soziale. In Anlehnung an die Theorie des Psychologen Ed Diener (z. B. Diener, 1984) lässt sich das Wohlbefinden von Lehrpersonen als eine überwiegend positive emotionale und kognitive Bewertung der beruflichen Situation und des Arbeitsumfeldes beschreiben. Diese positive Bewertung beruht auf der Erfüllung zentraler psychologischer Grundbedürfnisse: Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit (Ryan & Deci, 2017).

2. Wohlbefinden von Lehrpersonen trägt zu gutem Unterricht bei

In den letzten Jahren hat das wissenschaftliche Interesse am Wohlbefinden von Lehrpersonen deutlich zugenommen (Überblick bei Hascher & Waber, 2021). Dies ist nicht nur auf die generelle Anerkennung der wichtigen Rolle von Lehrpersonen für den schulischen Erfolg der Schülerinnen und Schüler und für die Qualität der Schulen zurückzuführen, sondern auch auf die Zunahme empirischer Belege für den Einfluss ihres Wohlbefindens auf die Unterrichtsqualität (z.B. Viac & Fraser, 2020). Kurz und einfach: Wenn sich Lehrpersonen bei der Ausübung ihres Berufs wohl fühlen, unterrichten sie besser. Dabei kommen verschiedene Wirkmechanismen zum Tragen: Wenn Lehrpersonen sich wohl fühlen,

  • ... können sie sich besser auf die Perspektive der Schüler·innen einstellen.
  • … strahlt dies positiv auf die Motivation der Schüler·innen aus.
  • … fühlen sich die Schüler·innen emotional sicher und trauen sich mehr zu.

3. Lehrpersonen sind in soziale Beziehungen eingebunden

In der bisherigen Forschung wurden zahlreiche Faktoren und ihre Bedeutung für das Wohlbefinden von Lehrpersonen untersucht, darunter berufsübergreifende Aspekte wie die allgemeine Lebenszufriedenheit, objektive wie die Schulform oder berufsspezifische wie gesellschaftliche Erwartungen. Die Ergebnisse zeigen ein interessantes Muster: Viele Facetten des Lehrberufs können sich sowohl positiv als auch negativ auf das Wohlbefinden auswirken – je nachdem, wie stark die Facette ausgeprägt ist und wie die Lehrperson sie interpretiert. So kann zum Beispiel die Klassengrösse als Belastung, zugleich aber auch als Gestaltungsmöglichkeit wahrgenommen werden.

Als besonders wichtig erweisen sich die sozialen Beziehungen innerhalb der Schule (z. B. Jones et al., 2019). Lehrpersonen interagieren in einer sehr hohen Dichte mit Schüler·innen und Kolleg·innen und sind täglich in die Zusammenarbeit mit den Eltern eingebunden. Sind diese Sozialbeziehungen mehrheitlich positiv, wirken sie bei der Ausübung der beruflichen Rolle unterstützend und befriedigen zudem das grundlegende Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit. Gute Beziehungen zu den Schüler·innen sind dabei ebenso zentral wie der Zusammenhalt im Kollegium und ein angenehmes Schulklima (z. B. Haldimann, Morinaj & Hascher, 2023).

Fazit: Wohlbefinden hat einen eigenen Wert

Das Wohlbefinden ist Ausdruck eines erfüllten Berufslebens. Es geht also deutlich über die blosse Abwesenheit von Belastung und Stress hinaus. Neben seiner hohen Funktionalität für die Entwicklung der Schüler·innen, die Qualität der Schule und des Bildungssystems hat es damit einen eigenen Wert, der in der öffentlichen Diskussion zu selten beachtet wird.

Referenzen

Diener, E. (1984). Subjective well-being. Psychological Bulletin, 95(3), 542–575. https://ssrn.com/abstract=2162125

Haldimann, M., Morinaj, J., & Hascher, T. (2023). The role of dyadic teacher–student relationships for primary school teachers’ well-being. International Journal of Environmental Research and Public Health, 20(5), 4053. https://doi.org/10.3390/ijerph20054053

Hascher, T., & Waber, J. (2021). Teacher well-being. A systematic review of the research literature from the year 2000–2019. Educational Research Review, 34, 100411. https://doi.org/10.1016/j.edurev.2021.100411

Jones, C., Hadley, F., Waniganayake, M., & Johnstone, M. (2019). Find your tribe! Early childhood educators defining and identifying key factors that support their workplace wellbeing. Australasian Journal of Early Childhood, 44(4), 326–338. https://doi.org/10.1177/1836939119870

Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2017). Self-determination theory: Basic psychological needs in motivation, development, and wellness. Guilford Publications.

Viac, C. & Fraser, P. (2020). Teachers’ well-being: A framework for data collection and analysis. OECD: Education Working Papers No. 213. https://doi.org/10.1787/19939019

Zur Autorin

Prof. Dr. Tina Hascher ist Ordinaria und Direktorin der Abteilung Schul- und Unterrichtsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Bern. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind emotionale, motivationale und soziale Prozesse in Schule und Unterricht, Wohlbefinden und Gesundheitsförderung sowie Lehrer·innenbildung.

Open Access

Dies ist eine Open-Access-Publikation, lizenziert unter CreativeCommons CC BY-SA 4.0.

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