Name und Identität

Die SGMOIK passt ihren Namen an

Auf der letzten Generalversammlung der SGMOIK, die am 16. Februar 2024 in Basel stattfand, stimmten die anwesenden Mitglieder einstimmig, mit Ausnahme von zwei Enthaltungen, einer Änderung des Namens der Gesellschaft in seiner französischen und italienischen Version zu. So wurden die Ausdrücke „civilisation islamique“ und „civiltà islamica“ durch „cultures islamiques“ und „culture islamiche“ ersetzt, während die Versionen auf Deutsch und Englisch unverändert bleiben.

Diese Entscheidung folgt auf zahlreiche Diskussionen des Vorstandes und des mit der Namensänderung beauftragten Ausschusses sowie auf eine erste Konsultation der Mitglieder während der Generalversammlung im Juni 2023. Ziel dieser Überarbeitung ist es, den Namen unserer Gesellschaft zu aktualisieren, damit er die zeitgenössischen Realitäten widerspiegelt und mit der Vision der SGMOIK und den wissenschaftlichen und epistemologischen Perspektiven ihrer Mitglieder in Einklang gebracht wird.

Symbolische Bedeutung des Namens

Die Wahl des Namens eines Vereins hat symbolische Bedeutung, da er die Wahrnehmung der Mitglieder und der externen Öffentlichkeit sowie die Glaubwürdigkeit eines Vereins beeinflusst. Die Überlegungen zur Resonanz des Namens der SGMOIK waren daher notwendig; sie konnten nicht allein aus der Angst heraus, den Namen in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren erneut ändern zu müssen, verworfen werden.

Notwendige Selbstreflexion

Gegründet im Jahr 1990 wurde die SGMOIK in einem geopolitischen, intellektuellen und wissenschaftlichen Kontext geboren, der sehr verschieden ist von dem, den wir heute kennen. Es ist daher entscheidend, die Identität und den Auftrag unserer Gesellschaft im Licht zeitgenössischer Entwicklungen neu zu bewerten, dabei jedoch kritisch zu bleiben. Insbesondere bedeutet dies, mit den Forschungen und Anliegen unserer Mitglieder Schritt zu halten, ausgehend von der Realität unserer Aktivitäten.

Bedeutungswandel von Konzepten

Der Begriff „civilisation/civiltà“ hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte semantische Entwicklung durchlaufen, insbesondere im Zuge der Entstehung von Theorien des „Kampfes der Kulturen“. Diese Entwicklung fordert uns zum Nachdenken heraus. Indem die SGMOIK den Begriff „civilisation islamique“ aufgibt, bekräftigt sie ihre Ablehnung einer vereinfachten und essentialistischen Sichtweise der Welt, nach welcher diese in verschiedene und homogene Gebiete oder Zivilisationen unterteilt wäre.

Geschichte: Von der Gründung der SGMOIK im Jahr 1990 bis zu den aktuellen Bedenken

Die Gründung der SGMOIK geht auf die frühen 1990er Jahre zurück. Zu dieser Zeit wollten junge Forscherinnen und Forscher aus dem Mittelbau der Schweizer Universitäten eine Alternative zu den verfügbaren Forschungs- und Lehrangeboten in der Schweiz zur Region Naher Osten und Nordafrika (MENA) sowie zum Islam bieten. Der Vorstand der neuen Gesellschaft beabsichtigte, neue disziplinäre Ansätze aus den Sozialwissenschaften, den Area Studies oder der Linguistik zu fördern und gleichzeitig die Entstehung einer auf die Gegenwart ausgerichteten Forschung zu unterstützen. Die SGMOIK setzte sich zum Ziel, Lehre und Forschung in der Schweiz zur MENA-Region und zum Islam zu unterstützen, den Austausch zwischen Wissenschaftler:innen zu erleichtern und die Verbreitung ihrer Arbeiten zu fördern.

Zur Zeit ihrer Gründung fanden lebhafte Diskussionen über den Namen der Gesellschaft statt, welche Meinungsverschiedenheiten über die Bezeichnung des zu untersuchenden Raumes oder der Region aufdeckten, sowie darüber, ob und wie der Begriff Islam in den Namen des Vereins einzubeziehen sei. Letztendlich entschieden sich die Mitglieder für die Bezeichnungen „Schweizerische Gesellschaft Mittlerer Osten und Islamische Kulturen“ und „Société Suisse Moyen-Orient et Civilisation islamique“. Es sei darauf hingewiesen, dass zu dieser Zeit keine Diskussion über die englische Übersetzung des Namens geführt wurde, da diese später mit der Verbreitung der englischen Sprache innerhalb des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) eingeführt wurde.

In den Anfangsjahren gab es keine Debatten über den Namen der Gesellschaft. In den letzten Jahren ist jedoch bei Diskussionen im Vorstand deutlich geworden, dass mehrere Mitglieder ein Unbehagen gegenüber dem Ausdruck „civilisation islamique“ auf Französisch oder „civiltà islamica“ auf Italienisch empfinden. Auch Anmerkungen und Kritik von neuen Mitgliedern haben die Diskussion bereichert.

Im Jahr 2023 führte die SGMOIK eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durch, um ihre Meinung dazu zu erfahren. Die Umfrage ergab, dass zwar 37% der Befragten den Namen als sehr gut oder akzeptabel betrachten, dennoch aber 44% eine Abneigung oder ein Unbehagen dagegenverspüren. Darüber hinaus zeigte der Vergleich der Antworten mit Augenmerk auf die Muttersprache der Befragten, dass Frankophone wesentlich eher dazu neigen, den Namen abzulehnen (75%).

Entwicklung der Bedeutung des Begriffes

In seiner üblichen Verwendung bezieht sich der Begriff „civilistion/civiltà“ auf die Gesamtheit der sozialen, religiösen, moralischen, ästhetischen, wissenschaftlichen und technischen Merkmale einer Gesellschaft im großen Maßstab. Es ist jedoch notwendig, kurz die Entwicklung seiner Bedeutung zu untersuchen. Das Konzept der „Zivilisation“ entwickelte sich im 19. Jahrhundert stark unter dem Einfluss einer Ideologie, die die europäische Überlegenheit sowohl gegenüber früheren als auch gegenüber zeitgenössischen als fremd wahrgenommenen Zivilisationen betonte. Der Begriff trägt auch heute noch die Spuren dieses Eurozentrismus und der Vorstellung einer Hierarchie zwischen den Kulturen (Bruneau, 2010).

Vor allem aber erhielt der Begriff ab den 1990er Jahren im Gefolge der Veröffentlichung von Samuel Huntingtons Buch, The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, das 1993 erschien, eine neue Bedeutung. Huntington zufolge wäre die Welt nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr nach ideologischen oder politischen Linien, sondern nach kulturellen und religiösen Kriterien gegliedert, die als die höchste Identifikationsebene betrachtet würden. Huntington entwickelte eine neue Unterteilung der Welt in Zivilisationen, die homogene oder „kohärente“ Räume bildeten und vor allem intrinsisch unvereinbar seien (Staszak, Fall und Girault, 2017).

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde der Begriff „civilisation/civiltà“ mehr denn je aufgegriffen und für politische Zwecke eingespannt, da er die Idee einer fundamentalen oder wesenhaften Unvereinbarkeit zwischen bestimmten kulturellen Räumen, insbesondere zwischen dem „Westen“ und dem „Islam“ oder dem islamischen Nahen Osten, vermittelte. Die Erwähnung des „Kampfes der Kulturen“ diente zur Rechtfertigung des sogenannten „Kriegs gegen den Terror“, ja sogar gegen die „Achse des Bösen“, mit den amerikanischen Offensiven in Afghanistan und später im Irak (Roy, 2002).

Die Wahl der Veränderung

Heutzutage ist es unerlässlich, die Verwendung des Begriffs „civilisation islamique“ aufgrund der reduktionistischen und dualistischen Weltsicht, die er vermittelt, neu zu überdenken. Der Begriff geht nicht nur von kohärenten kulturellen Räumen aus, indem er interne Widersprüche und die Vielfalt der Praktiken und Identifikationen von Akteur:innen verschleiert, sondern leugnet auch den Austausch und die Verbindungen, die die Grundlage jeder Kultur bilden. Aus diesen Gründen wird der Begriff „civilisation“ heute in den Sozialwissenschaften im französischsprachigen Raum kaum noch verwendet.

Darüber hinaus entspricht der Begriff nicht den bevorzugten Ansätzen der Forscherinnen und Forscher der SGMOIK, die sich mit der Untersuchung des Islam befassen. Ihre Arbeiten konzentrieren sich eher auf die Analyse von Praktiken und Prozessen auf lokaler oder regionaler Ebene und erforschen die verschiedenen Formen und Erscheinungsformen des Islams in der Welt, einschließlich der Schweiz. Der Islam wird eher als ein transnationales oder multi-situatives Phänomen, denn als ein grundlegendes Element einer kulturellen Region behandelt.

In diesem Zusammenhang würde den Begriff „civilisation islamique“ beizubehalten bedeuten, eine falsche und gefährliche geopolitische Vorstellung aufrechtzuerhalten. Aus diesen Gründen entscheidet sich die SGMOIK dafür, neu den Ausdruck „cultures islamiques“ auf Französisch und „culture islamiche“ auf Italienisch zu übernehmen. Während andere Verbände sich für die Bezeichnung „mondes musulmans“ oder „sociétés du monde musulman“ entschieden haben, scheint uns, dass der Begriff „cultures“ – der schon lange in den Disziplinen der anthropologischen und kulturellen Geografie verwendet wird – spirituelle, intellektuelle oder materielle Fakten bezeichnet, die soziale Gruppen auf lokaler Ebene betreffen. Er unterscheidet sich somit vom Begriff „civilisation“, der zwar auf große Einheiten verweist, aber eine umfassende oder homogenisierende Dimension aufweist. Schließlich ermöglicht die Verwendung der Mehrzahl im Zusammenhang mit „cultures“ einen Ausdruck der Vielfalt von Formen des Islams.

Eine fortlaufende Reflexion

Es ist wichtig, anzuerkennen, dass die Vielfalt der Ansätze, Forschungsthemen und Interessen der Mitglieder der SGMOIK nicht vollständig durch eine einzige Bezeichnung repräsentiert werden kann. Bis heute strebt unsere Gesellschaft danach, sowohl auf Islam-Studien als auch auf Regionalstudien in ihrem Namen Bezug zu nehmen. Mit anderen Worten, wir möchten eine Formulierung beibehalten, die die Analyse aus regionaler Sicht – die notwendigerweise heterogen und mit anderen Regionen verbunden ist – und die Untersuchung des Islam als vielfältiges, transnationales Phänomen, das in vielfältigen Kontexten verankert ist, kombiniert.

Angesichts der ständigen Entwicklung unserer Analysemethoden und -referenzen ist sich die SGMOIK bewusst, dass diese Anpassung nur ein Schritt in einem kontinuierlichen Reflexionsprozess darstellt.

 

Kurze Bibliographie

Bruneau, Michel, « Civilisation(s) : pertinence ou résilience d’un terme ou d’un concept en géographie ? », Annales de géographie 2010/4 (n° 674), pp. 315-337.

Mills, Amy et Hammond, Timur. 2016. « The Interdisciplinary Spatial Turn and the Discipline of Geography in Middle East Studies », dans Seteney Shami et Cynthia Miller-Idriss (dir.). From the book Middle East Studies for the New Millennium: Infrastructures of Knowledge. New York, New York University Press : 152‑186.

Roy, Olivier, Les illusions du 11 septembre : le débat stratégique face au terrorisme (Paris : Seuil, 2002).

Schayegh, Cyrus et Casale, Giancarlo, ‘Mobility, Spatial Thinking, and MENA’s Global interconnectivity: a Primary Source Roundtable’, Mashriq & Mahjar: Journal of Middle East Migration Studies, Vol. 9, No. 2 (2022), p. 1-8.

Staszak, Jean-François, Fall, Juliett, et Girault, Frédéric, « Les grands découpages du monde », dans Frontières en tous genres : Cloisonnement spatial et constructions identitaires, sous la direction de J.-F. Staszak (Rennes : Presses Universitaires de Rennes, 2017), pp. 147-168.