Die Wissenschaften erleben in der Krise eine Art «Primetime». In den Sozialwissenschaften entstanden in den letzten Wochen und Monaten zahlreiche Umfragen, Forschungsprojekte und Kooperationsinitiativen (eine Auswahl hier).
In der Förderpolitik des Bundes, die schnell und unmittelbar zur Bewältigung der Krise beitragen soll, spielen die Sozial- und auch die Geisteswissenschaften aber nur eine marginale Rolle. Das Ende April vom Schweizerische Nationalfonds (SNF) im Auftrag des Bundesrates ausgeschriebene Nationale Forschungsprogramm (NFP) 78 «Covid-19» beispielsweise fokussiert auf die Biomedizin und lässt nur wenig Raum für andere Disziplinen. Auch in der Science Task Force des Bundes und den begleitenden Expertengremien sind die Geistes- und Sozialwissenschaften nur peripher vertreten.
Kurzschlüsse vermeiden
Ehemalige Forschungsräte des SNF kritisierten in einem kürzlich publizierten offenen Brief an den SNF das «übertrieben enge Krankheits- beziehungsweise Gesundheitsverständnis». «Der SNF favorisiert ein Denkmodell, wonach wir bloss das Virus in den Griff kriegen müssen, damit wieder alles in Ordnung kommt», sagt Alexander Grob, Psychologe an der Universität Basel und Leiter des Nationalen Forschungsprogramms zu fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, nun gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Dass jetzt Immunpathologie und Behandlungsmanagement oben auf der Forschungsagenda stehen, sei nachvollziehbar, resümiert der Journalist im entsprechenden Artikel. Doch sollten die Forschungsrätinnen und Forschungsräte ein NFP auch in Krisenzeiten so diskutieren können, «dass Kurzschlüsse vermieden werden».