Die «European Alliance for Social Sciences and Humanities» fordert in einem Positionspapier die wissenschaftspolitischen Förderinstitutionen dazu auf, die Geistes- und Sozialwissenschaften in die anlaufenden Forschungsprojekte in Zusammenhang mit Covid-19 miteinzubeziehen. Die Krise sei bei Weitem nicht nur eine bio-medizinische Angelegenheit, sondern betreffe die gesellschaftliche Ordnung als Ganzes. Ohne die Einsichten der Geistes- und Sozialwissenschaften werde es nicht gelingen, die Krise vollumfänglich zu verstehen und Grundlagen für politische Entscheidungen während – und vor allem nach – der Krise bereitzustellen, heisst es im Papier.
Das Positionspapier formuliert zwei Hauptempfehlungen zuhanden der nationalen und internationalen Förderinstitutionen: Erstens soll für die Mission zur Erforschung der Covid-19-Krise angesichts der Vielfalt der offenen Fragen ein Portfolio-Ansatz zum Tragen kommen; das heisst, Beiträge aus verschiedenen Disziplinen sollen berücksichtigt und zusammen ins Gespräch gebracht werden. Zweitens soll sichergestellt werden, dass in Expertengruppen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Bereichen vertreten sind, einschliesslich der Geistes- und Sozialwissenschaften.
In der Schweiz sind in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche disziplinäre und interdisziplinäre Ausschreibungen, Projekte und Initiativen in wohl beinahe allen Bereichen der wissenschaftlichen Tätigkeit lanciert worden. Im Nationalen Forschungsprogramm 78 zu Covid-19, das der Schweizerische Nationalfonds am 30. April im Auftrag des Bundesrats ausschrieb, sind die Geistes- und Sozialwissenschaften weitgehend ausser Acht geblieben, wie ehemalige Forschungsräte unlängst in einem offenen Brief kritisierten.
Die SAGW ist seit 2019 Mitglied der European Alliance for Social Sciences and Humanities, der rund 50 Institutionen aus den Sozial- und Geisteswissenschaften aus mehr als einem Dutzend europäischer Ländern angehören.