Die SAGW beging 2021 ihr 75-Jahr-Jubiläum
Am 25. November 1946 gründeten zehn wissenschaftliche Gesellschaften im Kongresshaus in Zürich die «Schweizerische Geisteswissenschaftliche Gesellschaft». In den folgenden 75 Jahren entwickelte sich aus diesem Kern die Schweizerische Akademie der Geistes-und Sozialwissenschaften (SAGW). 2021 gehören der Akademie 62 Mitgliedgesellschaften sowie mehr als 20 Kommissionen und Kuratorien an. Zudem ist sie Trägerin wichtiger Forschungsinfrastrukturen.
Im Jubiläumsjahr blickte die SAGW auf ihre Geschichte zurück und ging ihren Weg Schritt für Schritt weiter: unaufgeregt, aber dezidiert. Weiterhin setzte sie auf ihr Motto «Vernetzen – Vermitteln – Fördern», nicht zuletzt durch eine neu lancierte Video-Reihe, welche die Vielfalt der geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen zeigt – und den Blick ins Jahr 2030 wagt.
Jubiläumsschrift: Geschichte der SAGW
Die SAGW nahm das Jubiläumsjahr zum Anlass, ihre eigene Geschichte in Buchform darzustellen. Die Jubiläumsschrift «Zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik – 75 Jahre Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften» schildert den langen Weg von den bescheidenen Anfängen zur anerkannten und breit vernetzten Akademie im Kontext des Schweizer Wissenschaftssystems. In neun chronologischen Kapiteln mit jeweils einem thematischen Schwerpunkt wird die Rolle der Akademie in der schweizerischen Wissenschaftslandschaft ausgeleuchtet und die grossen Linien seit ihren Anfängen Mitte der 1940er-Jahre bis heute nachgezeichnet: von der «Gründung in schwieriger Zeit», über die «ersten Schritte in der Forschungspolitik» und die «goldenen Jahre der Sozialwissenschaften» bis zu den «Herausforderungen der Gegenwart».
Das Buch ist im Auftrag der SAGW entstanden und erscheint im traditionsreichen Wissenschaftsverlag Schwabe in Basel, in dessen Programm es bestens aufgehoben ist. Recherchiert und verfasst hat das Buch die Zürcher Historikerin Monika Gisler unter Mitwirkung von zwei Mitarbeitern und dem «Center for Higher Education and Science Studies» der Universität Zürich.
zur Jubiläumsschrift (online im Open Access)
zur Rezension von Urs Hafner (Dezember 2021)
Zeitzeugen-Gespräche im Video
Die Jubiläumsschrift stützt sich neben schriftlichen Quellen auch auf zahlreiche Gespräche mit Personen, welche die SAGW seit den 1990er-Jahren in unterschiedlichen Funktionen begleitet haben und aus dem Effeff kennen. Mit der Autorin Monika Gisler sprachen sie über die Entwicklung der Akademie in den letzten drei Dekaden. Die folgenden Videos basieren auf Interviews, die im Februar und März 2021 via Zoom geführt wurden.
Podiumsdiskussion: Was konnte die Akademie erreichen – und was nicht?
Die Buchpublikation «Zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik» war Anlass für eine Podiumsdiskussion am 3. Dezember. Mit Blick auf das Motto «Vernetzen – Vermitteln – Fördern» fragten wir: «Was konnte die SAGW in den letzten 75 Jahren erreichen – und was nicht?»
Es diskutierten:
- Rahel C. Ackermann, Inventar der Fundmünzen der Schweiz
- Monika Gisler, Historikerin, Autorin
- Dieter Imboden, ehem. Präsident Schweizerischer Nationalfonds (SNF)
- Wolf Linder, ehem. Mitglied Schweizerischer Forschungsrat, Vorstand SAGW und Forschungsrat SNF
- Claudia Appenzeller (Moderation), ehem. Generalsekretärin Akademien Schweiz
Unter dem Titel «Gegen Windmühlen kämpfen und Brücken bauen» haben wir einige Antworten in sechs Kapiteln, vier Videostatements und elf Zitaten zusammengestellt.
Jubiläumsaktion: «Mal Denken!»
Anlässlich ihres Jubiläums lancierte die SAGW 2021 ein interaktives Webprojekt zu Schweizer Denkmälern. Das Projekt griff die Debatte zu kontroversen Denkmälern auf, die 2020 im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung erneut entbrannt ist und stellte über postkoloniale Aspekte hinaus die Frage: Woran wollen wir uns im öffentlichen Raum erinnern – und wie?
Ziel der Aktion waren die Dialogförderung und Wissensvermittlung zum Thema «Denkmäler und Erinnerungskultur» bei einem Publikum, das über Fach- und AktivistInnenkreise hinausgeht. Um dies zu erreichen, setzte das Projekt auf drei Interaktionslinien:
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Im digitalen Denkmal-Kartenspiel konnten die SpielerInnen 24 ausgewählte Schweizer Denkmäler bewerten. Jedes der 24 Denkmäler wurde auf einer eigenen Seite vorgestellt (zum Spiel).
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Die Denkmal-Umfrage richtete sich an Interessierte aus Zivilgesellschaft, Behörden, Politik sowie Fachcommunity. Rund 330 Personen äusserten sich darin zu Funktionen von Denkmälern und dazu, wer bei Denkmal-Fragenentscheiden sollte (zu den Resultaten).
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Der Denkmal-Wettbewerb sollte von der binären Logik von «entfernen vs. unverändert lassen» wegführen. 28 Teilnehmende reichten Vorschläge für Veränderungen an Schweizer Denkmälern ein. Für den ersten bis dritten Platz und für den Publikumsliebling gab es ein Preisgeld (zu den Eingaben).
Denkste! Öffentliches Fest am 17. September 2022
Geistes- und Sozialwissenschaftler·innen wälzen den lieben langen Tag nur trockene Bücher? Denkste! – Unter diesem Motto lud die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften zu ihrem Geburtstagsfest ein.
Der Bahnhofplatz Bern verwandelte sich in einen Denkmarkt. Rechtswissenschaftler, Politologinnen, Linguistinnen, Numismatiker und Forschende weiterer Disziplinen luden dazu ein, ihre Forschungsthemen zu entdecken. Zahlreiche Besucherinnen und Besucher nutzten diese Gelegenheit: Sie spielten Quizzes zu Wirtschaft, Schweizer Politik und Altertum, nahmen an Kalligraphie-Workshops teil, deckten sich mit Zeitschriften und Büchern ein und diskutierten ihre Fragen direkt vor Ort mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Trotz plötzlichem Herbsteinbruch fanden viele Gäste von jung bis alt im Innenhof des Berner Generationenhauses zusammen. Sie schwangen das Tanzbein, genossen Theateraufführungen, lauschten «schuuderhaft schönen Sage» sowie den Festreden der Ehrengäste und spielten beim Improtheater mit.
Video-Reihe: eine bessere Welt 2030?
Wie kann Ihre Disziplin zu einer «besseren Welt» 2030 beitragen?
Diese und drei weitere Fragen beantworten 16 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ein Forschungsförderer in der Video-Reihe: «Eine bessere Welt 2030 durch die Geistes- und Sozialwissenschaften?»
Die SAGW hat die Reihe in ihrem Jubiläumsjahr lanciert, um die Vielfalt der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung aufzuzeigen. Die Aufzeichnungen fanden je nach Lage vor Ort in Bern und Zürich oder remote via Videokonferenz statt.
Publikationen im Wandel der Zeit
Seit ihren Anfängen sah die SAGW in der Herausgabe von Publikationen eine ihrer zentralen Aufgaben. Über die Jahre sind rund 300 Publikationen zusammengekommen. Lange Zeit lagen die Interessen vornehmlich auf der Philologie, den Literaturwissenschaften oder der Geschichte – und mitunter, so ist man geneigt zu sagen, auf «schöngeistigen» Themen. Seit etwa der Jahrtausendwende haben sich die Akzente merklich verschoben: in Richtung der Sozialwissenschaften und der Hochschulpolitik, aber auch auf Beiträge der Geistes- und Sozialwissenschaften zu den grossen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Ein Blick in die Bibliografie der SAGW mit allen Publikationen seit 1947 vermittelt einen Bild von der Herausgabetätigkeit der Akademie. Alle Publikationen der jüngeren Vergangenheit stehen Open Access zur Verfügung.
Jubiläen im Wandel der Zeit
Das 75-Jahr-Jubiläum im Jahr 2021 ist das dritte Jubiläum, das die SAGW seit ihrer Gründung begeht.
25 Jahre SGG/SAGW
25 Jahre SGG/SAGW
Zum 25-Jahr-Jubiläum 1971/72 erschien eine kleine Publikation von rund 130 Seiten, in der sich nach einer kurzen Einführung die damals 28 Mitgliedgesellschaften kurz vorstellten. Zudem wurde eine Jubiläumsausstellung mit dem Titel «Die Geisteswissenschaften im Dienste der Gesellschaft» organisiert, in der sich die «Mitglieder und Organe der Dachgesellschaft einem möglichst breiten Publikum» präsentieren sollten (mit eher mässigem Erfolg, wie sich herausstellen sollte).
50 Jahre SAGW
Zum 50-Jahr-Jubiläum 1996 organisierte die SAGW einen Festakt im Casino Bern für Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Wissenschaftspolitik und publizierte eine 300-Seiten starke Festschrift, in der unter anderem die Festansprachen, Reflexionen zur Stellung der Geisteswissenschaften und einige Beiträge zu Historie der Dachgesellschaft und der einzelnen Einheiten versammelt sind. Anlässlich des Jubiläums wurde der Nachwuchspreis ins Leben gerufen, den die SAGW seither jährlich an junge Forscherinnen und Forscher für herausragende wissenschaftliche Aufsätze vergibt, sowie das aktuelle SAGW-Logo, ein «Labyrinth über fester Basis», entworfen vom Berner Grafiker Laszlo Horvath, das genauso Assoziationen an ein Hirn weckt.
FAQs zur SAGW
Wer sich ausserhalb der Kreise der schweizerischen Forschungsförderung bewegt, dem mag die SAGW möglicherweise kryptisch erscheinen. Darum hier der Versuch, die wichtigsten Fragen kurz und präzise zu beantworten. Und wer es ganz detailliert wissen will, schlägt am besten im Jahresbericht oder in den Statuten nach.
1. Was ist die SAGW?
Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) ist eine Organisation der nationalen Forschungsförderung gemäss Bundesgesetz (Forschungs- und Innovationsförderungsgesetz). Sie ist Mitglied des Verbunds der Akademien der Wissenschaften Schweiz, dem noch drei weitere Akademien sowie zwei Kompetenzzentren angehören. Weitere Organisationen der nationalen Forschungsförderung sind der Schweizerische Nationalfonds (SNF) und Innosuisse.
2. Weshalb nennt sich die SAGW «Akademie»?
Die SAGW wurde 1946 als «Schweizerische Geisteswissenschaftliche Gesellschaft» gegründet und nennt sich erst seit 1985 «Akademie». Der Namenswechsel steht in direktem Zusammenhang mit der formalen Anerkennung der Akademien als Forschungsförderungsinstitutionen durch den Bund zwei Jahre zuvor. Die Organisation und das Selbstverständnis der schweizerischen Akademien unterscheiden sich allerdings von Akademien in anderen europäischen Ländern, deren Ursprünge in der Regel weiter zurückreichen.
3. Was macht die SAGW?
3. Was macht die SAGW?
Die SAGW fördert schweizweit die Forschung in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen. Sie subventioniert beispielsweise Tagungen und Fachzeitschriften in so unterschiedlichen Bereichen wie: Geschichte, Politikwissenschaften, Anthropologie, Kriminologie, Literaturwissenschaften, Volkswirtschaft oder Archäologie. Zudem vermittelt die SAGW zwischen Forschenden und wissenschaftlich interessierten Personen auf der einen sowie politischen EntscheidungsträgerInnen, Behörden und einer breiteren Öffentlichkeit auf der anderen Seite.
Die SAGW ist wichtige Trägerin von sog. «langfristige Forschungsunternehmen» wie dem Historischen Lexikon der Schweiz, den Nationalen Wörterbüchern oder der Gotthelf-Edition. Sie veröffentlicht auch selbst Publikationen und organisiertTagungen. Jedes Jahr vergibt die SAGW an drei Nachwuchsforschende einen Preis für herausragende Publikationen.
Die SAGW setzt sich weiter für einen freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Forschungsdaten ein («Open Science»).
4. Welche Themen bearbeitet die SAGW?
Die SAGW bringt geistes- und sozialwissenschaftliche Anliegen und Expertise in Gesellschaft und Wissenspolitik ein. Seit einigen Jahren stehen vor allem die grossen Herausforderungen unserer Zeit im Vordergrund, wie sie auch die Uno in ihren 17 Nachhaltigkeitszielen (Agenda 2030) formuliert hat. Im thematischen Fokus stehen beispielsweise: Die alternde Gesellschaft, unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit, die Kultur des Konsums oder die Chancengerechtigkeit in der Bildung.
5. Wozu braucht es die SAGW?
Die SAGW bildet ein Netzwerk aus rund 30’000 Personen aus Wissenschaft, Forschung und Berufspraxis und nimmt zusammen mit den übrigen Akademien eine wichtige Brückenfunktion zwischen Wissenschaft und Gesellschaft wahr. Sie fördert und vermittelt das reiche kulturelle Erbe der Schweiz, beteiligt sich an der Bewältigung der grossen gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und leistet einen Beitrag zur Kohäsion der Schweiz.
6. Wie ist die SAGW organisiert?
Die SAGW ist als Verein organisiert. Ihre Mitglieder sind 62 national tätige Fachgesellschaften, die in sieben Sektionen unterteilt sind und Delegierte an die Jahresversammlung entsenden. Weitere Organisationseinheiten der SAGW sind Kommissionen und Kuratorien sowie mehrere Langzeitunternehmen.
Die SAGW wird von einem Vorstand mit 19 Mitgliedern aus dem Hochschul-Umfeld geleitet. Für die Geschäftsführung ist das Generalsekretariat zuständig. Die SAGW ist dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) zugeordnet, gehört als unabhängige Forschungsförderorganisation aber nicht zur Bundesverwaltung.
Am besten lässt sich die SAGW als Netzwerk beschreiben, in dem rund 30’000 Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen verbunden sind.
7. Wer kann der SAGW beitreten?
Mitglied der SAGW können gesamtschweizerische Fachgesellschaften werden, die eine geistes- oder sozialwissenschaftliche Disziplin vertreten. Über die Aufnahme entscheiden der Vorstand und die Delegiertenversammlung. Als Einzelmitglieder kennt die SAGW nur Ehrenmitglieder.
8. Wie wird die SAGW finanziert?
Als Organisation der nationalen Forschungsförderung wird die SAGW grösstenteils mit öffentlichen Geldern finanziert. Die zuständige Behörde ist das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation. Mit ihr besteht eine Leistungsvereinbarung.
Die SAGW verfügt über ein jährliches Budget von rund 18 Millionen Franken. Mehr als 80 Prozent des Geldes leitet die SAGW direkt an Projekte weiter. Die Kosten für das Generalsekretariat machen weniger als 12 Prozent des Aufwands aus.
9. Kann ich als Einzelperson bei der SAGW finanzielle Unterstützung für meine Forschung beantragen?
NachwuchsforscherInnen können bei der SAGW Beiträge für ihre Reisekosten für die aktive Teilnahme an internationalen Tagungen beantragen. In Einzelfällen unterstützt die SAGW auch Tagungen oder Publikationen sowie Digitalisierungs- und Open-Access-Projekte. Für die Finanzierung von Forschungsprojekten sind andere Organe der Forschungsförderung zuständig, insbesondere der Schweizerische Nationalfonds (SNF).