Anfang 2021 lancierte die a+ Swiss Platform Ageing Society bei ihren Partnerorganisationen eine explorative Umfrage. Ziel war eine erste Auslegeordnung zur Frage, inwiefern die ältere Bevölkerung innerhalb dieser Organisationen partizipiert. Alle befragten Organisationen beschäftigen sich mit dem Thema der alternden Gesellschaft: Sie forschen dazu, gestalten Alterspolitik oder bieten private Dienstleistungen für ältere Menschen an. An der Plenarversammlung der Plattform vom 22. September 2022 diskutierten Fachpersonen aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft die Ergebnisse der Umfrage. Sie zeigen: Partizipation ist in den befragten Organisationen verbreitet und hat sich bewährt. Allerdings fehlen Ressourcen und Knowhow, um sie weiter auszubauen.
Partizipation bewährt sich
Fast drei Viertel der befragten 50 Organisationen bieten grundsätzlich Partizipationsmöglichkeiten an. Die ältere Bevölkerung wird insbesondere einbezogen, um Ideen zu suchen, die Wirksamkeit und Legitimation der eigenen Aktivitäten zu stärken sowie das ethische Prinzip der Selbstbestimmung zu realisieren. Die häufigsten Formen der Partizipation sind Umfragen und Interviews, Workshops und Fokusgruppen sowie Arbeitsgruppen. Was den Grad der Partizipation anbelangt, unterschied die Umfrage vier Stufen: Information, Anhörung, Mitsprache und Mitbestimmung. Rund zwei Drittel der Organisationen gaben an, dass die ältere Bevölkerung bei ihnen mitsprechen oder mitbestimmen könne. Allerdings überschätzt dieses Resultat aufgrund des Effekts der sozialen Erwünschtheit wohl den Anteil dieser starken Form von Partizipation.
Wie bringt man die Leute an den Tisch?
Entscheidend für die Förderung von Partizipation sind nach Angabe der befragten Organisationen die institutionelle Verankerung, finanzielle und personelle Ressourcen, methodologische Kenntnisse (Wie bringt man die Leute an den Tisch?) sowie digitale Instrumente und Richtlinien. Insgesamt wünschen sich über die Hälfte der Partnerorganisationen mehr Partizipation. Um dies zu realisieren, fehle es insbesondere an finanziellen und personellen Ressourcen sowie an methodologischen Kenntnissen.
Es braucht klarere Definitionen, mehr Ressourcen und vor allem mehr Wissen
Der Austausch mit dem Fachpublikum vor Ort brachte drei Erkenntnisse zutage. Erstens scheint es schwierig, Partizipation für breite Anteile der älteren Bevölkerung zu verwirklichen. So bestätigten mehrere Voten, dass sich die Profile der partizipierenden Personen ähneln: Diese seien oft gut gebildet und in guter gesundheitlicher Verfassung. Damit verknüpft stellt sich die Frage, welche Segmente der älteren Bevölkerung im Fokus der Partizipationsbemühungen stehen sollen. Ist es wichtig, primär auf besonders vulnerable Personengruppen zu fokussieren, oder sollten zuerst andere Segmente im Fokus stehen?
Partizipation wird noch immer stark aus der Logik der Fachpersonen gedacht und nicht aus der Sicht der betroffenen Bevölkerung.
Zweitens gibt es grossen Definitionsbedarf. So scheint unklar, was mit «aktiver» oder eben «vulnerabler» älterer Bevölkerung in Bezug auf Partizipation gemeint ist. Gerade der Begriff «vulnerabel» könnte zudem zu einer Stigmatisierung führen. Auch fasse die Umfrage mit dem Vier-Stufen-Modell den Begriff der Partizipation zu grob.
Drittens betonten mehrere Teilnehmende, dass es an anwendungsorientiertem Wissen fehle. Welche Partizipationsbedürfnisse hat «die» ältere Bevölkerung? Wer gehört dazu und was erwarten diese Menschen? Wie kann Partizipation gestaltet werden, damit sie für Personen mit ganz unterschiedlichen Lebenswegen und -situationen bereichernd ist? Und so auch breitere Segmente erreicht? Partizipation, so waren sich mehrere Voten einig, werde noch immer stark aus der Perspektive der Fachpersonen gedacht und nicht aus der Sicht der betroffenen Bevölkerung. Die Logik dahinter: Die Alten, das sind die anderen.
Explorative Umfrage bei den Partnerorganisationen der a+ Swiss Platform Ageing Society
2021 führte das Büro Bass im Auftrag der a+ Swiss Platform Ageing Society eine explorative Umfrage bei den Partnerorganisationen der Plattform durch. Von den angefragten 86 Organisationen beantworteten 50 die Umfrage. Die Ergebnisse erlauben eine grobe Auslegeordnung, wie die Partizipation der älteren Bevölkerung in diesen Organisationen ausgestaltet ist. Als nächster Schritt möchte die Plattform gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen ein «Memorandum of Understanding» zur Partizipation erarbeiten, das klare Ziele und Massnahmen aufzeigt.
«Verflüssigung der Lebensläufe» notwendig
Drei Partnerorganisationen der Plattform stellten an der Plenarversammlung eigene Projekte vor (siehe unten) und diskutierten sie mit dem Publikum. Dabei trat ein Druckpunkt besonders deutlich zu Tage: Die Konzepte und Regeln, die unsere Gesellschaft prägen, sind zu rigide für die heterogenen und nicht linearen Lebensverläufe der meisten Menschen. So gibt es nebst der Erwerbsarbeit weitere Formen wie Care-Arbeit oder Freiwilligenarbeit, zwischen denen Menschen phasenweise oszillieren. Margrit Hugentobler (Netzwerk Silberfuchs) plädierte deshalb für ein System, dass der «Verflüssigung der Lebensläufe» Rechnung trage und diese fördere.
Good Practices in Caring Communities (Curaviva)
Von 2020 bis 2022 evaluierte die Organisation Curaviva schweizweit verschiedene Caring Communities. Daraus erstellte sie einen Kriterienkatalog von Good Practices, welche innerhalb solcher Gemeinschaften drei Ziele fördern: Erstens, die Teilhabe und Teilgabe von Menschen im Alter zu stärken, zweitens, deren selbstbestimmtes Wohnen zu fördern und drittens, lokale und bedürfnisgerechte Vernetzungsstrukturen zu schaffen.
Neues Alter – Älterwerden anders angepackt (Netzwerk Silberfuchs)
«Wie kommen lange, engagierte Lebenswege weit ins Rentenalter hinein zustande?» – Dazu befragte das Citizen-Science-Projekt «Neues Alter» 50 Menschen in strukturierten Gesprächen und dokumentierte deren Lebenswege in Bild, Ton, Video und Text. Entstanden ist eine Reihe eindrücklicher Porträts, die vielfältige Lebenswege älterer Menschen aufzeigen. Viele von ihnen sind nicht trotz, sondern aufgrund von schweren Krisen im Leben weiterhin aktiv, denn: Das Meistern von Schwierigkeiten kann neue Ressourcen schaffen.
Drehscheibe Alterspolitik (Gerontologie CH)
«Alterspolitik aktivieren» – so lautet das Ziel des Projekts «Drehscheibe Alterspolitik» der Plattform Gerontologie CH. Sie versteht sich als ergänzender Akteur im Feld der Alterspolitik, der vernetzt, Wissen vermittelt und Initiativen anstösst. So bietet die «Fachstelle Alterspolitik» einen Werkzeugkasten für Gemeinden, die altersfreundlicher werden möchten. Im Herbst 2022 soll das neue «Forum Alterspolitik» lanciert werden. Ziel ist, über Vernetzung und ein öffentliches kantonales Monitoring Anstoss für eine «aktive» Alterspolitik in der Schweiz zu geben.