Versteckte Überstunden, strukturelle Arbeitsplatzunsicherheit, ein allzu kompetitives System, das zudem anfällig ist für Machtmissbrauch. Die mitunter prekären Bedingungen, zu denen der akademische Mittelbau an Schweizer Hochschulen arbeitet, sind schon seit Jahren Gegenstand von Diskussionen. Bereits 2012 forderte eine Gruppe junger Forschender in einem Positionspapier die Politik zum Handeln auf. Der Schweizerische Wissenschaftsrat stellte 2013 und 2015 Bedarf für eine grundlegende Reform der Nachwuchsförderung fest. Die SAGW publizierte 2018 im Bericht «Next Generation» entsprechende Empfehlungen. Im Nationalrat gab es 2020 und 2021 zwei Vorstösse (Interpellationen 20.3121 und 20.4622).
80 Prozent des wissenschaftlichen Personals befristet angestellt
Mehr als 8500 Personen haben die nun eingereichte Petition von Schweizer Mittelbauorganisationen unterzeichnet. Ihr Kernanliegen ist, an den Hochschulen mehr unbefristete Stellen für promovierte Forscherinnen und Forscher zu schaffen. Denn rund 80 Prozent des wissenschaftlichen Personals an Schweizer Hochschulen stehen in einem befristeten Anstellungsverhältnis. Damit belegt die Schweiz international einen zweifelhaften Spitzenplatz. In Ländern wie England, Frankreich oder den Niederlanden liegt diese Quote bei rund 30 Prozent. Und in Ländern wie Deutschland, wo die Quote nur leicht unter jener der Schweiz liegt, gibt es ebenfalls seit Jahren Widerstand gegen die Befristung. Stark artikulierte sich die Kritik zuletzt in den sozialen Medien unter dem Hashtag #IchBinHanna.
Vier Handlungsoptionen zur Stärkung des akademischen Mittelbaus
Ausgehend von Befunden aus diversen Studien und Berichten, welche die SAGW in den vergangenen Jahren publizierte, hat Markus Zürcher, Generalsekretär der SAGW, in einem Blog-Beitrag vier Handlungsoptionen formuliert.
Akteure der Hochschulpolitik reagieren zurückhaltend
Die Petition soll den öffentlichen und den politischen Druck aufrechterhalten und die Diskussion aufs nationale Parkett heben. Sie fordert die Bundesversammlung auf, klare Signale an die Förderinstitutionen und die Universitäten zu senden, um die Personalstruktur an den Hochschulen zu reformieren. Die grossen Player der Schweizer Hochschulpolitik reagierten bislang zurückhaltend. «Bestehende Instrumente tragen dem Anliegen der Petition bereits Rechnung», schrieb Swissuniversities im März in einer Stellungnahme. Genannt werden etwa neu geschaffene Assistenzprofessuren mit Tenure Track. Die weiteren direkt angesprochenen Akteure der Hochschulpolitik – die Universitäten, die Kantone und der Schweizerische Nationalfonds – haben sich bislang nicht offiziell geäussert.
«Ein paar zusätzliche Assistenzprofessuren allein genügen nicht»
In den Augen des Petitionskomitees ist das bei Weitem nicht genug. «Ein paar zusätzliche Assistenzprofessuren allein genügen nicht», sagte ein Mitglied des Komitees an der Pressekonferenz. Wie die restlichen Mitglieder möchte sie nicht mit Namen genannt sein. Man wolle auf jegliche Personalisierung verzichten, da das Problem systemisch sei. Zudem steht die Befürchtung im Raum, dass die öffentliche Kritik negative Folgen für die Karriere haben könnte.
Vier aktuelle Medienbeiträge zum Thema
- Voutat, Bernard: Il faut en finir avec la précarité de la relève scientifique dans les hautes écoles, in: Le Temps, 27.9.2021.
- «Postdocs sollten vor allem als vollwertige Wissenschaftler*innen wahrgenommen werden». Interview mit Susanna Burghartz, in: Blog des Schweizerischen Wissenschaftsrats, 29.9.2021.
- Camenzind, Oliver: Befristete Jobs, nur Teilzeitanstellungen — jetzt wenden sich verzweifelte Wissenschafter ans Parlament, in: Neue Zürcher Zeitung, 8.10.2021.
- Stimoli, Adriana: Le monde académique réclame plus de postes permanents, in: Heidi.News, 8.10.2021.
Ein ausführlicher Medienspiegel befindet sich auf der Webseite des Petitionskomitees.