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«Wir müssen das Verhältnis zur Arbeit neu denken»

Beatrice Kübli

Mehr Konsum, Produktion und Arbeit sind die Voraussetzungen für Wirtschaftswachstum. Es ist Zeit, die Konsumspirale zu durchbrechen.

So wie bisher können wir nicht weiterfahren. Bereits vor gut fünf Monaten hat die Schweiz ihre Ressourcen für dieses Jahr aufgebraucht. Einfach zu hoffen, dass es mit der Zeit besser wird, reicht nicht. Wir müssen umdenken. In seinem Referat am 8. Oktober in Bern forderte Nicolas Bueno dazu auf, den Kreislauf «Konsum – Produktion – Arbeit» zu durchbrechen.

Globale Gesetze für globale Geschäfte

17 Ziele für nachhaltige Entwicklung will die UNO bis 2030 erreicht haben. Ziel Nr. 8, das im Fokus des Abends stand, will «dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern». Eine Schwierigkeit sieht der Rechtswissenschaftler Bueno hier in der Globalisierung. Multinationale Unternehmen können wählen, in welchen Ländern sie produzieren wollen. Aber gerade dort, wo die Produktion billig ist, herrschen oftmals prekäre Arbeitsbedingungen und auf nachhaltige Produktion wird wenig Wert gelegt. Um diese Missstände zu beheben, ist das internationale Recht gefordert. «Globale Geschäfte erfordern eine globale Verantwortung», ist Bueno überzeugt. Er kritisiert weiter, dass die Arbeit diskussionslos weiterhin an das Wirtschaftswachstum gekoppelt wird: «Wir müssen immer mehr konsumieren, damit mehr produziert werden kann, damit mehr Arbeitsplätze entstehen. Können wir das, ohne die Umwelt auszubeuten?»

Externe Kosten internalisieren

Die Konsumspirale ist historisch gewachsen. In seinem Werk «Wohlstand der Nationen» lancierte Adam Smith die Debatte über produktive und unproduktive Arbeit. Produktiv sind dabei alle, die mit ihrer Arbeit einen wirtschaftlichen Wert auf dem Markt schaffen. Das fördert den Wohlstand. Folglich braucht es möglichst viel und möglichst effiziente produktive Arbeit. Bueno gibt zu bedenken, dass oft nicht berücksichtig wird, welchen Preis wir letztlich dafür bezahlen. Als Beispiel nennt er die Landwirtschaft: Mithilfe von Pestiziden kann die Ernte vergrössert werden, die Arbeit wird effizienter. Andererseits generieren Pestizide zusätzliche Arbeit dadurch, dass die Verteilung von Gift bürokratischen Aufwand nach sich zieht und zum Beispiel Gewässer gereinigt werden müssen. In einem traditionellen Wirtschaftsverständnis ist das gut, denn es schafft Arbeitsplätze. Aber ist es sinnvoll?

Das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung?

Bueno fordert dazu auf, das Verhältnis zur Arbeit neu zu denken. Im traditionellen Verständnis ist der Mensch ein Produktionsfaktor. Er hat ein «Recht auf Arbeit». Was wäre, wenn man neu ein «Recht auf Müssiggang» hätte? «Weshalb arbeiten Sie?», fragt er das Publikum. Schnell wird klar, dass es primär darum geht, die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde die Wertschätzung der verschiedenen Arbeiten verändern: Jene, die einer gering geschätzten und schlecht bezahlten Arbeit nachgehen, würden als Erste kündigen. Dadurch würde der Gesellschaft bewusst werden, wie wertvoll diese Arbeit eigentlich ist. Die Frage der Finanzierung, die bei der Abstimmung über das Grundeinkommen zentral war, gibt auch an diesem Abendevent Anlass zu Diskussionen: Das Grundeinkommen bedeutet eine Umverteilung, doch keinen Ausbruch aus dem Kreis Produktion-Arbeit-Konsum. Kann die Wirtschaft ohne Wachstum überhaupt funktionieren? Wie kann aus dem aktuellen Kreis ausgebrochen werden, ohne dass eine Rezession ausgelöst wird?

Wohlstand neu denken

«Rezession und Wachstum sind typisch wirtschaftliche Begriffe», gibt Bueno zu bedenken. Das zeigt, wie stark unser Denken «traditionell-ökonomisch» ausgerichtet ist. Letztlich ist es eine Frage der Einstellung und der Wertschätzung. Ein Umdenken könnte beispielsweise durch neue Messgrössen gefördert werden, denn das gegenwärtig benutzte BIP eignet sich schlecht, um realen Wohlstand zu messen. Die Bestrebungen, Faktoren wie den Gesundheitszustand, die Lebenserwartung und die Einkommensverteilung in die Messung mit einfliessen zu lassen, sollten intensiviert werden. Denn, so Bueno, «wenn wir weiterhin in diesen rein wirtschaftlichen Massstäben denken, werden wir das SDG 8 nicht erreichen.»