Anfang Oktober 2020 lancierte eine Gruppe von Schweizerischen Mittelbauorganisationen eine Petition an die Bundesversammlung, um die Arbeits- und Lebenssituation des wissenschaftlichen Personals zu verbessern. Sie fordern darin eine Diversifizierung der akademischen Karrierewege und «die vermehrte Schaffung von festen Stellen für Forschende und Lehrende nach dem Doktorat». Die Selektion für die akademische Karriere soll früher stattfinden, spätestens nach dem Doktorat. So hätten die einen bessere Aussichten auf eine unbefristete Anstellung, während die anderen als Fachkräfte zum Einstieg in die nicht-akademische Arbeitswelt motiviert würden. Das ursprüngliche Ziel von 5000 Unterschriften erreichten die Initianten bereits nach wenigen Wochen, worauf sie ihr Ziel auf 8000 UnterstützerInnen hochschraubten. Die Petition sei im Mittelbau stark verankert, sagt ein Mitglied des Petitions-Komitees auf Anfrage. Man beabsichtige, sie Ende des Frühjahrssemesters 2021 der Bundesversammlung vorzulegen. Stand heute (27. Januar) fehlen noch rund 2280 Unterschriften bis zum Ziel.
Hochschulpolitik reagiert zurückhaltend
Die grossen Player der Schweizer Hochschulpolitik reagierten zurückhaltend auf die Forderungen der Petitionäre. Mit einer Erhöhung von Festanstellungen im Mittelbau würden die Hochschulen ihre «Agilität und Anpassungsfähigkeit» («agilité et capacité d’adaptation») aufs Spiel setzen, sagte beispielsweise Denis Billotte, Generalsekretär der Konferenz der Westschweizer Universitäten gegenüber der Zeitung La Liberté. Und die SBFI-Botschaft 2021–2024 sieht zwar eine leichte Erhöhung der Grundbeiträge für kantonale Universitäten und Fachhochschulen vor, eine grössere Umverteilung von projektgebundenen Mitteln hin zu Grundbeiträgen, die mehr Festanstellungen erlauben würde, ist aber nicht geplant.
Punktuelle Verbesserungen seit 2012
Die Petitionäre begrüssen es, dass eine öffentliche Diskussion über die Anstellungsbedingungen des akademische Mittelbaus in der Schweiz in Gang kommt. Doch weshalb brauchte es dafür das politische Druckmittel einer Petition? Das Online-Magazin «Das Lamm» sieht den Grund in der schwachen Position der Mittelbauorganisationen in der Schweizer Hochschulpolitik. So müsse der Dachverband Actionuni beispielsweise «ohne anständige Finanzierung» auskommen.
Bereits 2012 forderte eine Gruppe junger Forschender in einem Positionspapier die Politik zum Handeln auf. Das Problem sei erkannt, hielt der Bundesrat zwei Jahre später in einem Bericht fest, konkrete Massnahmen lägen aber in der Kompetenz der Hochschulen allein. Punktuell hat sich die Situation seither verbessert: Der Wunsch nach vielfältigeren Karrierewegen beispielsweise findet in immer mehr Hochschulen Gehör und hat mit der Initiative Better Science unlängst eine breit abgestützte Fürsprecherin dazugewonnen. Und auch der SNF fördert Karrieren seit August 2020 nach der Dora-Deklaration, die eine ganzheitlichere Bewertung von Forschung fordert und den kurzfristigen Publikationsdruck reduzieren soll.
Bewegung über die Schweiz hinaus
Auch ausserhalb der Schweiz ist die Situation des Mittelbaus zum Thema geworden. Nachdem Portugal im Januar turnusgemäss die EU-Ratspräsidentschaft übernahm, betonte dessen Wissenschaftsminister Manuel Heitor die Bedeutung von Forschungskarrieren für einen erfolgreichen EU-Forschungsplatz. Die Förderung von Forschungskarrieren und die Professionalisierung der Forschung sei eine von drei Prioritäten der portugiesischen Ratspräsidentschaft im Bereich Forschung und Innovation, so Heitor im Online-Magazin Science Business. In diesem Zusammenhang forderte er eine breite wissenschaftspolitische Debatte, insbesondere auch zu den Anstellungsbedingungen von Nachwuchsforschenden und der Messung wissenschaftlicher Qualität.