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Debatte zur Relevanz der Geisteswissenschaften

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Nach innengerichteter Mainstream oder öffentliche Debatte? Leere Professionalisierung oder kritische Reflexion? Die Debatte um die gesellschaftliche Relevanz der Geisteswissenschaften flammt immer wieder auf: In der Schweiz wird sie zurzeit in der Neuen Zürcher Zeitung geführt, wo sich gerade in kurzen Abständen Replik auf Replik folgt. Die Autoren, in der Regel selbst Geisteswissenschaftler, stellen die Frage: Wo ist der Ort für die Geisteswissenschaften und wo liegt ihr Potenzial? 

Die NZZ-Debatte, wenn man sie so nennen will, fügt sich ein in eine weit grössere Diskussion, die in vielen Ländern stattfindet und in der die Geisteswissenschaften nicht selten politisch angegriffen werden. In der Schweiz reichte die SVP-Fraktion 2015 eine Interpellation ein, mit welcher sie den Bundesrat aufforderte, die Zahl der «Psychologen, Ethnologen, Historiker und Kulturwissenschafter» zu reduzieren. (Die SAGW reagierte auf die Angriffe mit Fakten und klaren Argumenten, die auf der Website About Humanities gesammelt sind.) In der aktuellen Debatte orientiert sich die Kritik an den Geisteswissenschaften, so scheint es, indes stark an den Argumenten der US-amerikanischen Diskussionen.

Die NZZ-Debatte im chronologischen Überblick

Hier eine Auswahl von Artikeln (in chronologischer Reihenfolge):

  • Ein nach innen gerichteter wissenschaftlicher Mainstream mache es den Geisteswissenschaften zunehmend schwierig, in die Öffentlichkeit zu wirken, schrieb der deutsche Kulturwissenschaftler Jan Söffner bereits im Mai im Feuilleton der NZZ. Dabei läge gerade dort, in der «öffentlichen intellektuellen Debatte», ihre gesellschaftliche Relevanz.
  • Der deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht kritisierte in seinem Artikel «Wer würde denn die Geisteswissenschaften vermissen?» vom 29. Oktober eine «leere Professionalisierung» der Geisteswissenschaften, hinterfragte ihre Wissenschaftlichkeit und schlug ihre Verlagerung ins Private vor, zurück zu «individueller Konzentration und Kontemplation».
  • Auch der deutsche Literaturwissenschaftler Ludwig Pfeiffer sieht die Geisteswissenschaften in der Krise und schlägt in seinem Artikel vom 8. November den Rückzug ins Ästhetische vor. Pfeiffers Text teilt sich mit jenem von Gumbrecht die Provokation, den betroffenen Fachbereichen das Wissenschaftliche abzusprechen.
  • Der deutsche Philosoph Markus Gabriel hält am 18. November in einer Replik dagegen: Das Modell der Zukunft bestehe für die Geisteswissenschaften nicht darin, sich zurückzuziehen, sondern in der Rückkehr zur Einheit der Wissenschaften im Gefüge der Universität. Denn: «Wir müssen nicht nur über uns selbst nachdenken. Wir sollen auch darüber nachdenken, wie wir über uns nachdenken.» Diese Reflexion sei eine Kernkompetenz der Geisteswissenschaften.
  • Wer würde die Geisteswissenschaften vermissen? «Die Natur- und Technikwissenschafter», schreibt der Schweizer Physiker und Philosoph Eduard Kaeser in seiner Replik vom 23. November, «weil sie im Grunde die Geisteswissenschaften benötigen». Kaeser zitiert den Philosophen Odo Marquard: «Das notwendige und fruchtbare Defizit der exakten Wissenschaften – ihre Geschichtslosigkeit – erzwingt spezifisch modern seine Kompensation durch ein Organ für die Geschichten: eben die Geisteswissenschaften.» Für Kaeser steht die Beschäftigung mit dem Menschen im Zentrum der Wissenschaften – und zu diesem gehöre die Individualität, die Kontingenz, die Serendipität.