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Daten als Rohstoff der forschenden Schweiz: open by default, bitte!

Vera Eichenauer

Daten sind eine wichtige Grundlage für die Meinungsbildung und der Ausgangspunkt für Entscheidungen – von Regierungen ebenso wie von Bürgerinnen und Bürger. Dies zeigt sich gerade während der aktuellen Covid-19-Krise. Als Staatsbürgerin ärgert mich deshalb der häufig beschwerliche Zugang zu öffentlichen Daten und deren schlechte Dokumentation.

Als Forscherin sind die fehlenden oder unsystematischen Informationen über vorhandene Daten vor allem ein Zeitfresser: Ich brauche viel Zeit, um herauszufinden, welche Daten es überhaupt gibt – und noch mehr Zeit, um diese zu beantragen, auf Qualität, Zweckmässigkeit und Kombinierbarkeit zu prüfen. Die an sich verbindliche Open Government Data-Strategie, Teil der Legislaturplanung 2019–23, muss nun zügig umgesetzt werden.

Die Schweiz hinkt hinterher

Meine internationalen und Schweizer Gesprächspartnerinnen zeigen sich vielfach überrascht, wenn ich berichte, dass die Schweiz, was die Offenheit ihrer Regierungsdaten (Open Government Data, OGD) anbelangt, deutlich hinter der Weltspitze liegt: im Global Open Data Index der Open Knowledge Foundation belegt die Schweiz nur den 47. Rang,  und im Open Data Inventory (von 2020) immerhin den 28. – allerdings im letztgenannten Index weit hinter Singapur, welches das Ranking anführt, Deutschland und Spanien. Dabei handelt es sich um die Offenheit von Daten, die öffentliche Verwaltungen auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene bereits sammeln, bezahlt mit Steuergeldern.

Es braucht einen mentalen Wandel

Eine zentrale und öffentliche Dokumentation von bereits verfügbaren Datensätzen, mitsamt ihren Eigenschaften, Zugangsbedingungen und -prozessen, könnte den Zeitaufwand für Forschende enorm reduzieren. Dies fördert den gleichberechtigten Datenzugang für jüngere oder weniger vernetzte Nachwuchsforschende sowie ausländische Forscherinnen. Ein einfacher Datenzugang dient zudem der Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen.

Es gehört niemand an den Pranger gestellt: Überall wird fleissig digitalisiert. Wichtig ist der mentale Wandel hin zum Primat der Offenheit und Transparenz (open by default). Neue Verwaltungs- und Forschungsdaten als offene Daten zu publizieren, verursacht minimalen Aufwand – anders das Aufbereiten alter Datensätze. Dank solcher Offenheit steht den Sozial- und Geisteswissenschaftlern und auch nicht-akademischen Analysten und Anwenderinnen von Daten mehr Zeit für ihre Kernarbeit Verfügung: neue Fragestellungen zu untersuchen und Erkenntnisse zu generieren.

Wenn Publikationen (hoffentlich bald Open Access) die akademische Währung und Innovationen das Gold der Schweiz sind, dann sind qualitativ hochstehende Daten aus einem institutionell, kulturell und geografisch so vielfältigen Land wie der Schweiz ein quasi unerschöpflicher Rohstoff, den es nicht zuletzt für unsere Forschenden zu heben gilt.

Ich wünsche mir dafür volle Kraft voraus, damit ich mehr Zeit damit verbringen kann, Daten zu analysieren, anstatt sie zu sammeln und aufzubereiten.

Dieser Text erschien in ähnlicher Form im SAGW-Bulletin 3/20 sowie als Blogbeitrag auf opendata.ch.

Autorin: Vera Eichenauer

Autorin: Vera Eichenauer

Vera Eichenauer ist promovierte Ökonomin. Sie forscht als Postdoc an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich über Chinas Wirtschaftsaktivitäten in Drittstaaten und hat ein Forschungsprojekt über den Kanton Jura. 

Bildquellen

Titelbild: William Warby from London, England, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons