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Stellungnahme Sprachengesetz

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Stellungnahme zum Sprachengesetz

 

Die Landessprachen sollen in der obligatorischen Schule in der ganzen Schweiz den ihnen gebührenden Platz erhalten. Der Bundesrat stellte am 6. Juli drei Varianten zur Diskussion, wie eine Harmonisierung des Sprachenunterrichts unterstützt werden könnte, falls die Kantone ihre Sprachenstrategie nicht umsetzen. Die SAGW hat dazu Stellung genommen und gibt der Variante 2 den Vorzug. Sie begrüsst, dass der Zeitpunkt des Unterrichtsbeginns sowohl der ersten als auch der zweiten Fremdsprache in der Primarstufe verankert ist und spricht sich dafür aus, dass die besondere Situation der Kantone Tessin und Graubünden explizit in einer revidierten Fassung des Sprachengesetzes angesprochen wird

Grundsätzliche Erwägungen
Die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) begrüsst das Bestreben des Bundesrats, die Harmonisierung des Sprachenunterrichts in der obligatorischen Schule im Sprachengesetz zu verankern und damit die Stellung einer zweiten Landessprache sicher zu stellen.
Mit der Vorlage zu einer Revision des Sprachengesetzes hat der Bundesrat ein starkes und notwendiges Zeichen gesetzt. Sofern die Kantone das HarmoS-Konkordat nicht oder nur teilweise umsetzen und folglich ihre eigene Sprachenstrategie nicht realisieren, ist es Aufgabe des Bundesrats einzugreifen und die Harmonisierung des Sprachunterrichts gemäss des HarmoS-Konkordates zu unterstützen. 
Die Kantone haben mit dem Strategiebeschluss von 2004 (Sprachenstrategie; Sprachenkonzept) eine gesamtschweizerische Lösung zum Sprachenunterricht verabschiedet. Zum heutigen Zeitpunkt ist das Ziel einer sprachregionalen Harmonisierung gefährdet, weil die Kantone das Sprachenkonzept nicht oder nur teilweise umgesetzt haben, was wiederum zu einer Benachteiligung der zweiten Landessprache führt. Aber auch Englisch ist aufgrund seiner Wichtigkeit als internationale Kommunikationssprache von grosser Relevanz und daher ist auch dessen Vermittlung erforderlich. Gleichzeitig setzt sich die SAGW für alle Sprachen und Kulturen ein, die in der heutigen pluralistischen Gesellschaft der Schweiz vertreten sind. Deswegen unterstützt die SAGW alle Anstrengungen von Bund und Kantonen, diese Förderung voranzutreiben, wie beispielsweise in Form des Unterrichts in heimatlicher Sprache und Kultur (HSK-Unterricht).

Die SAGW unterstützt den Bericht des Bundesamtes für Kultur vom 15. Februar 2015 an die WBK-S, welcher aussagt, dass der Bund, gestützt auf Artikel 62 Absatz 4 BV ermächtigt und verpflichtet ist, gesetzgeberisch tätig zu werden, wenn der Bundesgesetzgeber begründet festzustellen vermag, dass die Kantone den verfassungsmässigen Harmonisierungsauftrag nicht erfüllt haben. Im Weiteren äussert das BAK in seinem Schreiben, dass die Kantone mit der Sprachenstrategie 2004 eine gesamtschweizerische Harmonisierungslösung verabschiedet haben, die für die HarmoS-Kantone unmittelbar verbindlich ist und die mittelbar auch für die Nicht-Beitrittskantone den Standard setzt. Zudem, so das Schreiben, ist die Primarstufe als Bildungsstufe im Sinne von Artikel 62 Absatz 4 BV zu betrachten und darum soll die Gesamtheit der Schülerinnen und Schüler – mit Ausnahme von Dispensationen oder Lernzielanpassungen in Einzelfällen – die mit den Bildungszielen definierten Grundkompetenzen am Ende der Primarstufe und am Ende der obligatorischen Schule erreichen. Die SAGW teilt diese Einschätzungen und unterstützt damit auch die EDK.


Detailbesprechung
Wir erlauben uns, zu den drei vorgeschlagenen Varianten Stellung zu nehmen:

Variante 1
Gemäss Art. 1 Abs. 1 ist es der Zweck von HarmoS, die obligatorische Schule zu harmonisieren sowie die Qualität und die Durchlässigkeit des Schulsystems zu sichern (Art. 1, Abs. 2). Bei Variante 1 wird der Grad und die Qualität der Kompetenzen, welche die Schülerinnen und Schüler in der obligatorischen Schule erreichen müssen, nicht angegeben. Laut HarmoS-Konkordat sollen die Schülerinnen und Schüler während der obligatorischen Schulzeit «grundlegende Kenntnisse und Kompetenzen sowie kulturelle Identität» entwickeln. Diese Konkretisierungen sind wichtige Elemente und dürfen nicht einfach unterschlagen werden.
Die Vorstellung, dass innerhalb von nur zwei Jahren Sprachunterricht grundlegende und gleichwertige, wie im HarmoS-Konkordat vorgegeben, Kompetenzen in einer zweiten Landessprache erlangt werden sollen, ist nicht realistisch. Es geht ja nicht nur um das reine Sprachenlernen, sondern darum, Zugang zum traditionellen und kulturellen Hintergrund einer zweiten Landessprache zu erlangen, sich der Sprache als Ganzes anzunähern. Dafür reichen zwei Schuljahre nicht aus.
Diese Variante äussert sich überdies nicht zum Englisch, das als internationale Kommunikationssprache gefördert werden sollte. 
Variante 1 nimmt ferner auch keine Rücksicht auf die besondere sprachliche Situation im Tessin und Graubünden. Da die schweizerische Mehrsprachigkeit ein besonderes und wertvolles Merkmal ist, welches bewahrt werden soll, sind diese Auslassungen nicht angebracht.

Variante 2
Diese Variante basiert auf dem von den Kantonen vereinbarten HarmoS-Konkordat und verankert diese Lösung auf Gesetzesstufe. Der Zeitpunkt des Beginns des Fremdsprachenunterrichts (erste und zweite Fremdsprache) ist festgelegt. Die besondere Situation der Kantone Tessin und Graubünden wird beachtet und honoriert mit der Erlaubnis, von der Bestimmung abweichen zu dürfen. Klar wird zudem von «gleichwertigen Kompetenzen» gesprochen, welche die Schülerinnen und Schüler in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache (z.B. Englisch) erreichen sollen. Eine solche Formulierung gibt relativ klar vor, welchen Ansprüchen der Sprachunterricht genügen und wohin er bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit führen soll.

Variante 3
Wie in Variante 1, bleibt in Variante 3 unklar, welche Qualität der Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler während der obligatorischen Schulzeit erreichen sollen. 
Es ist lediglich von «Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache» die Rede und nicht von «gleichwertigen Kompetenzniveaus», wie dies im HarmoS-Konkordat festgehalten ist. Der besonderen Situation der Kantone Tessin und Graubünden wird nicht Rechnung getragen. Dies erscheint uns, wie bereits unter Variante 1 erwähnt, nicht sinnvoll.
Variante 3 äussert sich sehr wenig konkret in Bezug auf den Zeitpunkt des Unterrichtsbeginns der zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache. Wie bereits in Variante 1 ist es auch bei Variante 3 möglich, dass der Unterricht in der zweiten Landessprache spät beginnt und zu wenig vertiefend vermittelt werden kann.


Fazit
Es erscheint uns sinnvoll, dass der Zeitpunkt des Unterrichtsbeginns sowohl der ersten als auch der zweiten Fremdsprache in der Primarstufe verankert ist. Nur so lassen sich bis Ende der obligatorischen Schulzeit die im HarmoS-Konkordat vereinbarten Ziele in Bezug auf die gewünschten gleichwertigen Sprachkompetenzniveaus erreichen. Gerade beim Fremdsprachenunterricht ist nicht nur die Dauer sondern auch die Qualität von Bedeutung und dies soll entsprechend auf Gesetzesebene verankert werden.
Im Weiteren scheint es uns zwingend, dass die besondere Situation der Kantone Tessin und Graubünden explizit in einer revidierten Fassung des Sprachengesetzes angesprochen wird. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die schweizerische Mehrsprachigkeit, die Teil unseres Selbstverständnisses ist, erhalten wird – insofern muss sie dort erhalten und gefördert werden, wo sie vorhanden ist.

Von den drei erwähnten Varianten gibt die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) der zweiten Variante den Vorzug. 

Variante 2 verankert das von den Kantonen gemeinsam vereinbarte HarmoS-Konkordat auf Gesetzesstufe. Dadurch werden die Zusammenarbeit der Kantone, ein wichtiges Element für den Zusammenhalt der Schweiz, sowie die Koordinationsarbeit der EDK seitens des Bundes gewürdigt.