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Investieren wir genügend in die Volksschule?

Heinz Nauer
SAGWCommuniqué de presseMedienmitteilungSAGW

Bern, 03.06.2021 – Eine neue Studie der SAGW zeigt: Die öffentlichen Bildungsausgaben seit 2008 sind im Hochschulbereich stärker gestiegen als für die obligatorische Schulstufe.

Wie haben sich die öffentlichen Bildungsausgaben, die immerhin rund 18 Prozent der staatlichen Gesamtausgaben ausmachen, in der letzten Dekade entwickelt? Wieviel Geld fliesst in die Volksschule? Wieviel in die Hochschule? Eine neue Studie der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) macht eine Auslegeordnung und liefert die Zahlen für die Jahre 2008–2018. Sie zeigt: Die öffentlichen Bildungsausgaben sind im Hochschulbereich leicht stärker gestiegen als für die obligatorische Schulstufe, wobei die Kantone sehr unterschiedliche Strategien wählten, um ihre Bildungsausgaben an die demografische Entwicklung anzupassen. Um gesellschaftlichen Fortschritt zu erzielen und das Humanvermögen auszuschöpfen, sollte der obligatorischen Volksschule ein besonders hoher Stellenwert zukommen. Gemessen an der Entwicklung der öffentlichen Finanzmittel gibt es noch Luft nach oben.

Die Geburtenrate hat sich in der Schweiz seit dem Pillenknick in den 1960er-Jahren auf tiefem Niveau stabilisiert. Der Anteil der älteren Bevölkerung wird über die nächsten beiden Dekaden kontinuierlich zunehmen, entsprechend auch der Aufwand in Betreuung und Pflege. Im Gesundheitssektor hat die Schweiz bereits zu wenig Arbeitskräfte. Kurz: Wir benötigen immer mehr Hände, haben aber immer weniger Hände zur Verfügung. Deutlich zeigt sich, dass wir stärker in das Humanvermögen investieren sollten und weniger in den Kapitalstock.

Ins Humanvermögen investieren heisst langfristig auch: In die Volksschule investieren. Die im Auftrag der SAGW erstellte Studie «Investieren wir genügend in die Volksschule? Entwicklung der öffentlichen Bildungsausgaben für die Volksschule und den Hochschulbereich 2008–2018» verschafft einen Überblick darüber, wie sich die öffentlichen Bildungsausgaben für die obligatorische Schulstufe und für den Hochschulbereich in den Jahren 2008–2018 entwickelt haben.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze

  • Die öffentlichen Bildungsausgaben sind im Hochschulbereich stärker gestiegen als für die obligatorische Schulstufe: Die Kantone und ihre Gemeinden haben 2018 für die obligatorische Schulstufe 19,1 Milliarden Franken aufgewendet. Dies entspricht einem Ausgabenzuwachs von 27 Prozent seit 2008. In der gleichen Zeit sind die jährlichen Ausgaben von Bund und Kantonen für die Hochschulbildung um 34 Prozent auf 8,4 Milliarden Franken gestiegen.
     
  • Die Kantone wählen unterschiedliche Strategien bei der Anpassung der Bildungsausgaben an die demografische Entwicklung: Ein gutes Drittel der Kantone und ihre Gemeinden haben die Ausgaben für die Volksschulbildung in den letzten Jahren deutlich stärker angehoben als die Ausgaben für die Hochschulbildung, in einem weiteren Drittel fällt das Ausgabenwachstum sowohl für die obligatorische Schulstufe als auch für die Tertiärbildung A (akademische Bildung) unterdurchschnittlich aus. In einigen Kantonen wie Baselland, Wallis oder Zug sind die Ausgaben für die Hochschulbildung im Verhältnis zur Anzahl Studierenden überproportional gewachsen, dafür haben sie weniger in die Volksschulbildung investiert. Andere Kantone wie Basel-Stadt, Waadt und Zürich verfolgten eine andere Strategie und haben die Ausgaben für die Volksschulbildung deutlich stärker erhöht, als sich die Lernendenzahlen entwickelt haben.
     
  • Steigende Bildungsausgaben pro Einwohnerin und Einwohner: In rund einem Drittel der Kantone sind die öffentlichen Bildungsausgaben pro Einwohnerin und Einwohner für die Volksschulbildung stärker gestiegen als die Ausgaben für die Hochschulen und Grundlagenforschung. In rund zwei Drittel hingegen war es umgekehrt: Hier sind die Ausgaben pro Person für den Hochschulbereich in grösserem Ausmass gestiegen als jene für die Volksschulbildung. Der grösste Teil der Kantone, die zu dieser Gruppe zählen, hat die Ausgaben für die Volksschule um weniger als 10 Prozent pro Einwohnerin und Einwohner angehoben.
     
  • Die öffentlichen Bildungsausgaben pro Volksschülerin und -schüler sind stärker gestiegen als die Ausgaben pro Hochschulstudentin und -student: Die Kantone und ihre Gemeinden investierten 2018 im Durchschnitt gut 20 000 Franken pro Schülerin und Schüler auf obligatorischer Schulstufe. Dies entspricht im Zehnjahresvergleich einem Anstieg von 22 Prozent. Pro Studentin und Student auf Hochschulstufe gibt der Staat jährlich 34 397 Franken für die Bildung aus. Die Ausgaben pro Studierende sind seit 2008 leicht gesunken (-2 %).

Es gibt Luft noch nach oben

Es ist weitgehend unbestritten, dass der heutige Mangel an Fachkräften systembedingt ist. Die Daten der Eidgenössischen Jugendbefragungen ch-x von 2019 zeigen, dass sich der Anteil junger Erwachsener ohne Ausbildung auf der Sekundarstufe II seit den Befragungen 2010/11 und 2014/15 nahezu verdoppelt hat (auf rund 11 %). Der Trend geht in die falsche Richtung, und die Covid-Situation wird die Lage voraussichtlich verschlimmern.

Dies hat weitreichende Implikationen, gerade auch für die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals SDGs). Um die Sozialziele der Agenda 2030 zu erreichen, gesellschaftlichen Fortschritt zu erzielen und das Humanvermögen auszuschöpfen, sollte der Grundausbildung in der obligatorischen Volksschule ein besonders hoher Stellenwert zukommen. Gemessen an der Entwicklung der öffentlichen Finanzierung gibt es noch Luft nach oben.

Schmidlin, Sabrina und Francesco Montemurro (2021): Investieren wir genügend in die Volksschule? Entwicklung der öffentlichen Bildungsausgaben fü die Volksschule und den Hochschulbereich 2008–2018. Studie im Auftrag der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften, Bern. http://doi.org/10.5281/zenodo.4778686

Kontakt für Rückfragen

Dr. Markus Zürcher
Generalsekretär SAGW
Tel. 031 306 92 50
markus.zuercher(at)sagw.ch

Links

  • Studie «Investieren wir genügend in unsere Volksschule?»: Link
  • Thema «Bildung» auf Website der SAGW: Link
  • Blog-Text «Fünf Nachhaltigkeitsziele auf einen Streich» von Markus Zürcher: Link