Publikation

Bulletin 1/24: Akademische Freiheit

Wo die Grenzen der akademischen Freiheit verlaufen, wie sie geschützt werden kann und anhand welcher Kriterien sie bestimmt werden soll, bleibt eine fortwährende gesellschaftliche Auseinandersetzung.

Inhalt

  • Konturen und Akzente von Akademischer Freiheit
  • Download einzelner Beiträge
  • Bibliografische Angaben und Open Access

Konturen und Akzente von akademischer Freiheit

Akademische Freiheit ist nicht nur ein Schlüsselwert für Hochschulen, sondern auch ein Lackmustest für die Rolle der Forschung und Lehre in unserer Gesellschaft. Dabei handelt es sich um einen facettenreichen Begriff. Da eine allgemein anerkannte Definition fehlt, wie ein Bericht des Europäischen Parlaments konstatiert, ist es eine Frage der Interpretation und des Kontexts, worauf sie sich bezieht, wovor sie schützt und wozu sie dient. Gilt sie für Professorinnen und Professoren, Dozierende, Nachwuchsforschende oder auch für Studierende und administrative Mitarbeitende? Gehören dazu die Lehr- und Forschungsfreiheit oder umfasst sie auch das Vorrecht, sich öffentlich zu fachspezifischen oder aktuellen Themen zu äussern?

In der Schweiz ist die akademische Freiheit mehrfach verankert. Debatten um kantonale Restriktionen in der Fortpflanzungsmedizin haben in den 1980er- und 1990er-Jahren dazu geführt, dass die «Wissenschaftsfreiheit» als Grundrecht in die Bundesverfassung aufgenommen wurde. Zudem ist sie in Kraft als Grundsatz im Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz und als Kriterium für die institutionelle Akkreditierung von Hochschulen, damit sie sich «Universität», «Fachhochschule» oder «Pädagogische Hochschule» nennen dürfen und Bundesbeiträge erhalten können.

Ein Nachdenken über die Gelingensbedingungen der akademischen Freiheit kann unterschiedliche Dimensionen beleuchten. Was bedeutet «Freiheit», sei es negativ als Abwesenheit von äusseren Zwängen, positiv als selbstbestimmt-autonomes Dasein oder exklusiv als Privileg einer ausgewählten Gruppe? Wann gelten Äusserungen oder Handlungen als «akademisch» bzw. «wissenschaftlich»? Ferner ist das Verständnis der Hochschulen als Ort des offenen Dialogs bedeutsam, der grundsätzlich nichts ausgrenzt – abgesehen von intoleranten Meinungen und Haltungen –, was die grundlegende Frage aufwirft, wer darüber entscheidet, welche Meinungen die Toleranzgrenzen überschreiten. Freiheit wird stets von Grenzen begleitet; ihr Spielraum massgeblich durch diese mitbestimmt

Das Dossier vereint Zugänge aus der Politischen Philosophie, Rechtswissenschaft und Linguistik sowie aus der Filmwissenschaft und Soziologie. Dabei werden unterschiedliche Fragen erörtert: Dürfen oder sollen sich Forschende in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen? Welche Risiken birgt die Ökonomisierung von (Schweizer) Hochschulen? Und welchen Einfluss auf Forschung kann, am Beispiel von Polen, die Politik ausüben? Welche Rolle spielt Sprache für den Wissensaustausch und die Kulturvermittlung? Inwiefern ist akademisches Denken zugleich Pflicht und Privileg? Ästhetisch ergänzt werden die Beiträge von einem Bildessay, der im Spiel mit Unschärfe und Hell-Dunkel-Kontrasten feine Unterschiede und 
Konturen akzentuiert. Wo die Grenzen der akademischen Freiheit verlaufen und was sie für eine Gesellschaft bedeutet, bleibt eine fortwährende und mehrstimmige Auseinandersetzung, die sich kritisch und differenziert zu führen lohnt.

Ausserdem im neuen Bulletin ...

... eine Meditation über das Schreiben guter Texte, eine Ding-hat-Geist Kolumne, die eine Vielzahl neuer Lebensformen für ausrangierte Elektrogeräte vorstellt, ein «Wort zum Schluss», das als dystopische Beschwörung des Dies Academicus 2053 der Universität Lozane Anlass gibt, um über die soziale und politische Funktion von Forschern und Forscherinnen nachzudenken, und einiges mehr.

Download einzelne Beiträge

Bibliografische Angaben und Open Access

SAGW (2024): Akademische Freiheit – Konturen und Akzente | Liberté académique – contours et mises en relief (Bulletin der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften 30,1). doi.org/10.5281/zenodo.10534388

Das Bulletin ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz – CC BY 4.0. Seine Inhalte dürfen demnach uneingeschränkt und in allen Formen genutzt, geteilt und wiedergegeben werden, solange der Urheber und die Quelle angemessen angegeben werden. Das Verwertungsrecht bleibt bei den Autorinnen und Autoren der Artikel. Sie gewähren Dritten das Recht, den Artikel gemäss der Creative-Commons-Lizenzvereinbarung zu verwenden, zu reproduzieren und weiterzugeben.