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«Es wäre reduktiv, das Jahr 1992 nur auf den Scherbenhaufen der Europapolitik zu reduzieren»

Heinz Nauer, SAGW | Dodis
Recht und Politik

30 Jahre nach dem EWR-Nein publiziert die Forschungsstelle Dodis die diplomatischen Dokumente zum aussenpolitischen Schicksalsjahr 1992. Am 3. Januar präsentierte sie den neuen Band im Bundesarchiv. Die Videos zur Vernissage sind online.

Am 6. Dezember 1992 besiegelte das Stimmvolk eine Zeitenwende in der schweizerischen Europapolitik. Der Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) erlitt Schiffbruch. «Der Bundesrat nimmt diese Entscheidung zur Kenntnis und respektiert sie», deklarierte Bundespräsident René Felber nach der Abstimmung, bedauerte aber, «dass die Schweiz auf die ihr gebotenen Möglichkeiten zur Öffnung verzichtet und damit auch mit ihrer Politik der Annäherung an Europa bricht, die seit dem Zweiten Weltkrieg politisch betrieben wurde» (dodis.ch/61182). Wie kam es zu diesem Bruch?

Die Forschungsstelle Dodis, ein Unternehmen der SAGW, hat zahlreiche Dokumente zum Jahr 1992 ausgewertet und eine Auswahl davon pünktlich nach Ablauf ihrer gesetzlichen Schutzfrist am 1. Januar 2023 in der Datenbank Dodis und dem neusten Band der Diplomatischen Dokumente der Schweiz veröffentlicht. «Die Akten zeigen», sagt Dodis-Direktor Sacha Zala, «dass es am Ende der Gewissheiten des Kalten Kriegs gerade die Fragen der politischen Integration waren, welche die Schweiz am meisten forderten.» 

An der Vernissage, die am 3. Januar im Bundesarchiv stattfand, präsentierte Dodis-Direktor Sacha Zala die wichtigsten Ergebnisse der Grundlagenforschung zum Schicksalsjahr 1992 und diskutierte sie mit Alt-Staatssekretär und Zeitzeuge Jakob Kellenberger. Die SAGW übertrug die Veranstaltung im Livestream.

Dodis-Direktor Sacha Zala stellt den neuen Band vor

Die Publikation der Diplomatischen Dokumente der Schweiz ist Hochleistungssport. Wir sind die einzige Forschungsstelle weltweit, die es schafft, die Akten, die im nationalen Archiv entsperrt werden, sofort zu präsentieren. Sacha Zala

Es wäre reduktiv, 1992 nur auf den Scherbenhaufen der Europapolitik zu reduzieren. Die Schweiz verfolgte eine viel mutigere Aussenpolitik, als dies je vor dem Fall der Berliner Mauer der Fall gewesen war. Sacha Zala

«1992 – Erinnerungen an ein bewegtes Jahr» von Alt-Staatssekretär Jakob Kellenberger

Ich habe die Tendenz, in Bezug auf den 6. Dezember 1992 nicht von einem schwarzen Tag zu sprechen, sondern von einer Abstimmungsniederlage. Jakob Kellenberger

Die Bilateralität entspricht unserem Wunsch, möglichst grosse Kontrolle zu haben. Und ich möchte sagen: Ein Rahmenabkommen ist auch bilateral. Jakob Kellenberger

Podiumsdiskussion

Ich habe mich oft darüber geärgert, wie in den Abstimmungsdebatten mit pauschalen Schlagworten operiert wurde. Ich weiss aber selber auch nicht, wie die komplexe Sachlage in der kurzen Zeit, die zur Verfügung stand, hätte genügend erklärt werden können. Jakob Kellenberger

Etwas, was man nie anspricht, aber das doch immer vorhanden ist: Es gibt bei uns eine EU-Unfreundlichkeit, die wir uns gegenüber den Amerikanern nicht leisten könnten und nicht leisten. Jakob Kellenberger

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